Ausstellung über Titos Architekten: Stein gewordene Träume

Eine Ausstellung in Wien widmet sich den Baukunstwerken des exilierten jugoslawischen Urbanisten, Schriftstellers und Lokalpolitikers Bogdan Bogdanovic.

Der ehemalige Bürgermeister von Belgrad war immer ein schlechter Kommunist. Bild: dpa

Für jugoslawische Parteifunktionäre war der Architekt, Surrealist, Professor für Urbanologie, Schriftsteller und ehemalige Bürgermeister von Belgrad Bogdan Bogdanovic' ein verdächtiger und romantischer Freak, ein kulturpessimistischer und technikfeindlicher Mythologe. Serbischen Nationalisten galt er als Verräter des Vaterlands und kroatischen Patrioten als Vertreter serbischer Großmachtambitionen.

Doch Bogdanovic, der zwischen 1951 und 1981 über 20 Denkmäler für ermordete Partisanen und Zivilisten im Zweiten Weltkrieg konzipierte und erbauen ließ, war und ist Kosmopolit und bis heute konsequenter Gegner jeden Nationalismus und jeder Form von Zivilisations- und damit Stadtfeindschaft. "Ich war immer ein schlechter Kommunist", sagt der heute 87-Jährige in seiner Wohnung in Wien. "Aber im Gegensatz zu vielen meiner jugoslawischen Kritiker, bin ich bis heute ein überzeugter Linker geblieben."

Die Ausstellung: "Bogdan Bogdanovic'. Der verdammte Baumeister" läuft im Architekturzentrum Wien, bis 2.Juni

Der Katalog: "Bogdan Bogdanovic'. Memoria und Utopie in Tito-Jugoslawien" ist erschienen im Wieser-Verlag, Klagenfurt 2009. 178 S., 33 Euro

Der Film: In der Regie von Reinhard Seiß ist "Bogdan Bogdanovic. Architektur der Erinnerung" auf DVD erhältlich im Verlag Anton Pustet, Salzburg 2009, 125 Minuten, 29 Euro

Ausgerechnet zwischen dem Restaurant Balkan-Express und dem Belgradplatz im Wiener Bezirk Favoriten liegt Bogdanovics Wohnung. Zufall? "Ja, so wie vieles in meinem Leben", sagt er. "Ich bin auch nur zufällig Denkmalarchitekt geworden. In der Gründungszeit Jugoslawiens sah ich als junger Student ziemlich bald, dass ich keine Chance haben würde, Häuser zu bauen. Die jugoslawischen Stadtplaner hatten sich der funktionalistischen Moderne verschrieben und die fand ich abscheulich. Es gab nur zwei Sorten Fenster und alles war aus Beton. Dann gewann ich den Wettbewerb der jüdischen Gemeinde und baute das Denkmal für die jüdischen Opfer in Belgrad."

Er begann, sich mit dem Judentum zu beschäftigen. "Als Atheist aus einer atheistischen Familie in einem atheistischen Staat war ich überwältigt, als ich die Vielschichtigkeit der religiösen Symbole entdeckte." Fortan fand er in den antiken Kosmologien der Pythagoräer, der mittelalterlichen Mystik der Bogumilen, aber auch in der Symbolik der Jakobiner einen geeigneten Fundus an Formen, mit denen er die Erinnerung an Leid und Tod aufbewahren und gleichzeitig transzendieren konnte.

Sei es die Kenotaphe in Travnik, die Kultstätte in Kosovska Mitrovica, das Mausoleum in Trstenik oder die Partisanennekropole in Mostar, in allen seinen Denkmälern arrangierte Bogdanovic Symbole und Ornamente auf eine Weise, die eine Vereinnahmung der Erinnerung an Faschismus und Vernichtung durch ein wie auch immer geartetes Kollektiv verweigerte. Der sinnlosen Vernichtung im Nachhinein einen Sinn zu geben, lehnte er ab. "Mir war immer klar, dass jeder Versuch, das Grauen des Faschismus darzustellen, lächerlich, elend und nichtig sein würde und so bevorzugte ich eine metaphysische Lösung."

Bogdanovics Denkmäler sind Stein gewordene surrealistische Träume, eine architektonische Übersetzung der Manifeste André Bretons oder der metaphysischen Bilder Giorgio de Chiricos.

"Ich wollte eigentlich überhaupt keine Denkmäler bauen, da ich glaube, dass eine Gesellschaft ohne Denkmäler glücklicher ist. Deshalb sind meine Zeichnungen auch viel wichtiger," sagt Bogdanovic'.

Seine architektonischen Ideen seien nämlich im Prozess des Zeichnens entstanden, der wiederum der surrealistischen Technik der écriture automatique verpflichtet war. Das Wiener Architekturzentrum, dem Bogdanovic sein Gesamtwerk von 12.500 Zeichnungen schenkte, widmet dem "Verdammten Baumeister", wie Bogdanovic' seine Autobiographie betitelte, nun erstmals eine Ausstellung. Und zu Recht werden die dort in schwebenden Kästen liegenden Zeichnungen nicht einfach nur als schmückendes Bei-, sondern als eigenständige Kunstwerke präsentiert.

Seit 1993 lebt Bogdanovic' mit seiner Frau Ksenija in Wien. Allerdings nicht freiwillig. Nachdem er das "Lamento über Serbien", einen 60-seitigen Anklagebrief gegen Slobodan Milosevic' und die serbischen Nationalisten verfasst hatte, lebte er unter ständiger Bedrohung, die in einem offenen Mordaufruf in einer TV-Show gipfelte.

In den 1990er Jahren wurde Bogdanovic einem deutschsprachigen Publikum durch Essays über die Zerstörung der jugoslawischen Städte bekannt. Es waren Überarbeitungen alter Texte, in denen er Ursprung und Metaphysik der Stadt untersuchte hatte und nun unter Titeln wie "Die Stadt und der Tod" oder "Architektur der Erinnerung" veröffentlichte.

Vom rituellen Städtemord, der von der Eroberung Trojas bis zum Kampf der jugoslawischen Partisanen reichte, handelte sein gnostischer Urbanismus. Die Partisanen als Städtezerstörer? "Ich habe immer ein bisschen dick aufgetragen", lacht "BB". "Aber ich meinte damit den Umstand, dass durch den Sieg der Partisanen ländliche Bevölkerung in die Städte kam, die ihre mitgebrachte Blut- und Bodenideologie nie ablegten."

Die Belagerung Sarajevos, die Beschießung Dubrovniks und die Zerstörung von Mostar und Vukovar in den Sezessionskriegen der 1990er Jahre machten aus seiner Theorie blutige Realität.

Wie war es möglich, Denkmäler zu bauen, die keine sein sollten? "Tito hatte keine Ahnung von Kunst. Aber er brauchte ungefährliche Leute. Trotz Parteibuch hatte ich nie mit Stalin, höchstens mit Trotzki sympathisiert und war in Titos Augen wohl nur ein seltsamer Träumer." Insbesondere sein berühmtestes Denkmal, die 24 Meter hohe, in Beton gegossene Blüte auf dem ehemaligen Gelände des kroatischen Vernichtungslagers Jasenovac verdankt Bogdanovic Tito. Gegen die serbischen und kroatischen Funktionäre der KPJ, die Entwürfe von Blut speienden Brunnen besser fanden, entschied sich Tito für Bogdanovic's Modell. "Ich hatte für die Bäume in der Umgebung kleine Nägel auf das Modell montiert. Tito selbst war leidenschaftlicher Handwerker. Die Nägel müssen ihn überzeugt haben", erzählt Bogdanovic lachend.

"Ich verfolgte keine Idee, außer der, dass ich gerne glaube, dass das Leben stärker als der Tod ist", erzählt er weiter. "Meine Zeichnungen und meine Entwürfe waren immer ein Spiel." Und wie es sich für Kinder gehört, verstanden sie es auch am besten, die archaischen Formen von Bogdanovics Denkmälern als Spielplatz zu nutzen. So zeigt der vergangenes Jahr gedrehte Dokumentarfilm "Bogdan Bogdanovic'. Architektur der Erinnerung" des Wiener Raumplaners Reinhard Seiß Szenen, in denen Kinder das Kriegermausoleum in Popina als Halfpipe benutzen. Für Bogdanovic' ist es das größte Glück, wenn seine Denkmäler öffentlich genutzt werden. So finden bis heute beispielsweise in der Nekropole von Krusevac Theater- und Konzerveranstaltungen statt. "Einmal erzählte mir ein Mädchen aus Mostar, dass ihre Eltern sie in der Partisanennekropolegezeugt hätten. Für mich war es das Schönste, was dort passieren konnte", erzählt Bogdanovic grinsend.

Doch dann drohte ein Denkmal Bogdanovics nationalistisch und revanchistisch umgedeutet zu werden. Wie Tito gefiel auch Franjo Tudjman, dem Staatsgründer des unabhängigen Kroatiens, die Blüte in Jasenovac. Er wollte das Denkmal zum "Vaterländischen Altar" machen, damit alle kroatischen Gefallenen, also auch die Faschisten und Soldaten seiner Armee geehrt werden sollten. Glücklicherweise starb Tudjman bevor dieser Plan realisiert werden konnte.

Die Blüte wurde während des Sezessionskrieges stark beschädigt. Auch die Partisanennekropole in Mostar. Dafür wurde 2005 in der bosnischen Stadt ein neues Denkmal aufgestellt, eine bronzene Bruce-Lee-Statue. Mit Bruce Lee könnten sich alle identifizieren, egal ob Kroaten, Serben oder Bosnier, lautete die Begründung der jungen Baumeister.

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