Zypries über Terrorbekämpfung: "Islamisten dürfen neugierig sein"

Justizministerin Brigitte Zypries verteidigt ihren Gesetzentwurf, der bereits den Besuch von Terrorlagern unter Strafe stellt. Es komme auf die Absicht an, so Zypries.

Brigitte Zypries: "Wenn es Kritik von Linken und der Union gibt, dann dürfte der Entwurf ja in einer vernünftigen Mitte liegen." Bild: dpa

taz: Frau Zypries, können Sie nähen?

Die 55-jährige Juristin ist seit dem Jahr 2002 Bundesministerin der Justiz. Zuvor war die hessische SPD-Politikerin Staatssekretärin im Bundesinnenministerium.

Brigitte Zypries: Eine einfache gerade Naht gelingt mir ganz gut. Warum?

Sie planen ein Gesetz, das unter anderem den Besuch terroristischer Ausbildungslager unter Strafe stellt. Dazu haben Sie neulich gesagt, der Gesetzentwurf sei "verfassungsrechtlich auf Kante genäht". Kann die Naht jederzeit platzen?

Wenn ich auf Kante nähe, dann hält die Naht. Aber im Ernst: Ich wollte damit darauf hinweisen, dass wir juristisches Neuland betreten und sich möglicherweise das Bundesverfassungsgericht damit befassen wird. Ich halte das Gesetz zwar für grundgesetzkonform, aber manchmal ist Karlsruhe anderer Meinung als die Bundesregierung.

Was ist neu an diesem Gesetz?

Im Vorfeld von Terrortaten war bisher nur die Gründung, Mitgliedschaft oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung strafbar. Künftig wollen wir auch Vorbereitungshandlungen von Einzelpersonen bestrafen, die sich zum Beispiel in ein terroristisches Ausbildungslager begeben, um sich das Wissen für Anschläge anzueignen.

Warum ist eine solche Vorfeldstrafbarkeit nötig?

Weil sich die Struktur des Terrorismus verändert hat. Die RAF war eine feste Gruppe, im islamistischen Terrorismus agieren eher lose Netzwerke, Zweiergruppen oder Einzelpersonen.

Verlagern Sie die Strafbarkeit damit nicht weiter ins Vorfeld als bisher? Es ist künftig ja nicht einmal mehr der Bezug zu einer Terrorgruppe erforderlich.

Das stimmt. Deshalb habe ich auch darauf bestanden, dass solche Vorbereitungshandlungen nur strafbar sind, wenn auch die Absicht besteht, einen Anschlag zu begehen. Nicht jeder, der an einem Sprengkurs im Steinbruch teilnimmt, hat terroristische Absichten.

Wie sollen die Ermittler eine terroristische Absicht beweisen?

Es ist doch das tägliche Brot der Strafrichter, dass sie einen bestimmten Willen oder eine Absicht nachweisen müssen. Manchmal kann man dabei vom Handeln auf die Absicht schließen. Wer etwa ein Al-Qaida-Lager besucht, muss schon gut begründen, dass er keine terroristischen Absichten hatte. Zumindest sind es zureichende Anhaltspunkte für die Staatsanwaltschaft, um ein Ermittlungsverfahren einzuleiten und den Tatverdacht überprüfen zu können. Umgekehrt ist es eher fernliegend, dass jemand nur deshalb den Führerschein macht, weil er später eine Autobombe zum Tatort fahren will. Dafür müsste es schon handfeste Indizien geben.

Entsteht so nicht ein Gesinnungsstrafrecht? Der Islamist, der einen Sprengkurs belegt, wird bestraft, der Normalbürger nicht.

Nein, es wird ja nicht die Gesinnung bestraft, sondern ganz konkrete Vorbereitungshandlungen.

Linken Kritikern geht der Gesetzentwurf zu weit, einige in der Union halten ihn für zahnlos.

Wenn es Kritik von beiden Seiten gibt, dann dürfte der Entwurf ja in einer vernünftigen Mitte liegen. Im Übrigen konnte ich die Bedenken der Union, der Gesetzentwurf sei zahnlos, längst zerstreuen. Auch die Bundesanwaltschaft hat signalisiert, dass sie mit den neuen Vorschriften gut arbeiten kann.

Noch weiter ins Vorfeld geht es beim zweiten Punkt Ihrer Vorlage. Dort wollen Sie schon die Kontaktaufnahme zu einer Terrorgruppe bestrafen.

Wenn die Kontaktaufnahme in der Absicht geschieht, sich in der Begehung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten unterrichten zu lassen.

Wird hier nicht die Vorbereitung zu einer Vorbereitungshandlung bestraft?

Ja. Deshalb ist bei der Kontaktaufnahme auch eine doppelte Absicht erforderlich. Zum einen die Absicht, sich von einer terroristischen Vereinigung ausbilden zu lassen, zum anderen die Absicht, die Kenntnisse dann auch für einen terroristischen Anschlag zu verwenden.

Das Innenministerium sieht das aber anders. Danach wird in dieser Vorschrift keine Anschlagsabsicht vorausgesetzt.

Ich halte die Formulierung für eindeutig. Im Einzelfall müssen natürlich die Gerichte entscheiden. Das ist in einem Rechtsstaat nichts Ungewöhnliches.

Dritter Punkt in Ihrem Gesetzentwurf: Schon der Download von Bombenbastelanleitungen soll künftig strafbar sein.

Wenn der Download erfolgt, um eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorzubereiten. Es kommt auch hier auf die Absicht an.

Was ist mit neugierigen Jugendlichen?

Die werden von dem Gesetz nicht erfasst. Wer es hinter dem Haus mal richtig krachen lassen will, ist kein Terrorist.

Aber wenn sich ein Islamist aus Neugier die Anleitung herunterlädt, macht er sich strafbar?

Auch ein Islamist darf neugierig sein. Wenn er sich aber den ganzen Tag mit Anschlagsvorbereitungen befasst, bekommt das Herunterladen einer Bombenbauanleitung eine andere Qualität.

Haben Sie den Gesetzentwurf eigentlich nur Innenminister Schäuble zuliebe vorgelegt?

Nein.

Schäuble und die CDU/CSU haben aber lange auf ein solches Gesetz gedrängt. Hätte auch eine SPD-Alleinregierung so ein Gesetz angepackt?

Ja. Herr Schäuble hat auch nicht gedrängt.

Können Sie uns einen Fall nennen, wo ein solches Gesetz erforderlich gewesen wäre?

Nehmen Sie die Kofferbomber von Nordrhein-Westfalen, das waren nur zwei Personen, die sich vor der Tat im Internet einschlägige Bombenbauanleitungen besorgt haben.

Da die Polizei von den beiden nichts gewusst hat, hätte wohl auch das neue Gesetz kein frühzeitiges Eingreifen ermöglicht. Haben Sie noch ein Beispiel?

Der Tunesier Ihsan G. plante 2003 in Berlin einen Terroranschlag, konnte deshalb aber nicht wegen terroristischer Straftaten verurteilt werden, weil er noch keine feste Gruppe aufgebaut hatte.

In Deutschland leben nach Polizeiangaben rund 60 Personen, die bereits in terroristischen Ausbildungslagern waren. Was nützt hier das neue Gesetz?

Rückwirkend können wir diese Personen nicht bestrafen. Strafgesetze können nie rückwirkend angewandt werden. Aber wenn diese Rückkehrer jetzt Spenden für die Terrorfinanzierung sammeln oder sich eine Bombenbauanleitung besorgen, dann machen sie sich nach den neuen Vorschriften strafbar.

Lassen sich Selbstmordattentäter durch Gesetze abschrecken?

Auch wenn ein Selbstmörder sich nicht abschrecken ließe, wäre es immer noch ein Vorteil des neuen Gesetzes, dass es frühzeitige Ermittlungen erlaubt.

Es ermöglicht der Polizei, Terror-Ermittlungen schon im Vorfeld einer Tat aufzunehmen?

Ja, sobald ein Anfangsverdacht besteht, dass jemand im Al-Qaida-Lager war oder Geld für einen Anschlag sammelt und sich dadurch nach den neuen Vorschriften strafbar gemacht hat.

Also so wie bei Paragraph 129a, wo rund um terroristische Vereinigungen auch viel mehr ermittelt als bestraft worden ist?

Ja, man wird sehen, ob das neue Gesetz ähnliche Wirkung hat.

Nun darf das Bundeskriminalamt seit der BKA-Reform Anfang des Jahres sogar präventiv gegen terroristische Gefährder ermitteln. Ist das nicht doppelt gemoppelt, wenn Sie jetzt auch noch mit einem Vorfeld-Strafgesetz kommen?

Um beim Nähen zu bleiben: Doppelt genäht hält besser. Aber im Ernst: Nein, es ist nicht doppelt gemoppelt, denn mit unserem Gesetz wollen wir zu einer Bestrafung der Täter kommen und das kann nur das Strafrecht leisten und nicht das Polizeirecht.

Das sorgt aber auch für Unklarheiten. Das BKA-Gesetz erlaubt zur Abwehr von Terroranschlägen die Onlinedurchsuchung von Computern, die Strafprozessordnung erlaubt das nicht. Kann sich die Polizei dann aussuchen, welches Gesetz sie anwendet?

Ich sehe hier keine Unklarheiten. Die Polizei kann durchaus gleichzeitig sowohl präventiv als auch repressiv tätig werden, es gibt da keinen absoluten Vorrang.

Ohne Onlinedurchsuchung?

Ja, soweit es um die Strafverfolgung geht.

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