Arbeitslose als Aufpasser: 1-Euro-Jobber jagen Fahrraddiebe

In einigen Städten Brandenburgs kämpfen Arbeitslose gegen Langfinger: Sie kontrollieren als "Fahrradwachen" die Stellplätze. Gute Idee für Berlin, sagt der ADFC. Keine gute Idee, findet der Fahrradbeauftragte des Senats.

Sie haben einen klaren Auftrag: Fahrraddiebe in die Flucht schlagen. Dafür sind die 1-Euro-Jobber bestens ausgerüstet: mit Fotoapparat, Handy und einer neongelben Warnweste, auf deren Rücken der Schriftzug "Fahrradwache" prangt. Dies ist die Brandenburger Variante, dem grassierenden Fahrraddiebstahl etwas entgegenzuhalten: ALG-II-Empfänger bewachen in einigen Städten im Rahmen ihres 1-Euro-Jobs Diebstahlschwerpunkte wie Bahnhöfe oder Schulen.

Den Anfang dieser regionalen Initiative machte Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald): Bereits vor neun Jahren, im April 2000, schickte das lokale Jobcenter die ersten Fahrradwachen - damals Sozialhilfeempfänger - an ihren S-Bahnhof. Inzwischen schieben sechs ALG-II-Empfänger dort in Zwei-Personen-Schichten von 6 bis 18 Uhr Dienst: mit wachsamem Auge um die Fahrradständer schlendern, Auffälliges protokollieren und fotografieren, Verdächtige ansprechen, zur Not die Polizei rufen.

Denn Diebe selbst fassen dürften die Wachen nicht, berichtet Karin Weiß vom koordinierenden Verein "Pro Beschäftigung und Integration". "Das steht nur der Polizei zu. Aber allein die Präsenz schreckt ab." Die Fahrraddiebstähle seien deutlich zurückgegangen. Genaue Zahlen könne sie zwar nicht nennen, aber auch die Sprecherin der Stadt, Katrin Dewart-Weschke, ist zufrieden: "Die Maßnahme hat sich bewährt." Für Karin Weiß gibt es noch einen Vorteil: "Die Teilnehmer kommen aus ihrem tristen Alltag raus und lernen Selbstsicherheit, Pünktlichkeit und Höflichkeit. Das ist durchaus qualifizierend."

Inzwischen gibt es Fahrradwachen auch in Finsterwalde (Elbe-Elster), in Luckenwalde und Ludwigsfelde (Teltow-Fläming) sowie in Hohen Neuendorf, Lehnitz und Oranienburg (alle Oberhavel). "Wir sind damit sehr zufrieden", sagt Björn Lüttmann, Referent des Oranienburger Bürgermeisters. In der Stadt wird der Bahnhof überwacht. "Das Sicherheitsgefühl der Bürger wurde gestärkt." Auch die Polizei in Oberhavel spricht von "weitaus sicheren Stellplätzen" seit dem Start der Fahrradwachen.

Der Sprecher des Brandenburger Innenministeriums, Geert Piorkowski, nennt beständig fallende angezeigte Fahrraddiebstähle in den vergangenen Jahren: Waren es 2003 noch 25.755 Delikte, betrug die Zahl 2008 noch 16.870. "Dies aber allein auf präventive Maßnahmen wie die Fahrradwachen zurückzuführen, ist zu leicht", so Piorkowski. Vielmehr würden auch weniger Diebstähle angezeigt.

Sind ALG-II-Fahrradwachen auch in Berlin denkbar? "Es gibt keinerlei Pläne, solch eine Idee umzusetzen", sagt Tatjana Pohl, Sprecherin der Innensenatsverwaltung. Immerhin: Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) ist nicht abgeneigt. "Bewachte Abstellplätze würden wir grundsätzlich begrüßen", so ADFC-Landesvizechefin Susanne Grittner. Der Einsatz von 1-Euro-Jobbern sei aber letztlich eine sozialpolitische Entscheidung. Wichtiger wäre ein richtiges Anschließen der Fahrräder und adäquate Fahrradschlösser. Benno Koch, Fahrradbeauftragter des Senats, ist nicht überzeugt: "Wenn Überwachung, dann per Video, aber nicht mit prekären Beschäftigungsverhältnissen." Mehr sichere Fahrradbügelstellplätze würden das Problem breiter und dauerhafter lösen als punktueller Personeneinsatz. KONRAD LITSCHKO

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.