Obama-Beraterin über Onlinewahlkampf: "Geld und Macht trennen"

Was wir von Obama lernen können: Die Online-Wahlkampfberaterin von Barack Obama, Mary C. Joyce, über den Nutzen sozialer Netzwerke und digitaler Technologien.

Stimmenfang im Internet: Wahlkampfseite mit eigenem sozialem Netzwerk. Bild: screenshot: barackobama.com

taz.de: Frau Joyce, welche Web 2.0-Instrumente haben Sie bei der Obama Kampagne benutzt?

Mary C. Joyce, Jahrgang 1981, war New Media Operations Managerin der Barack Obama Kampagne. Jetzt arbeitet sie für DigiActive, eine Nichtregierungsorganisation, und gibt weltweit Workshops, wie Graswurzelbewegungen das Web 2.0 für sich nutzen können. Auf der Blogger-Konferenz re:publica 09 in Berlin sprach sie über politische Kampagnen und soziales Engagement im Netz.

Mary C. Joyce: Das wichtigste Element war unser eigenes soziales Netzwerk, "My Barack Obama", MyBO. Es war ähnlich angelegt wie Facebook. Die Besucher konnten Interessengruppen beitreten, um sich auszutauschen, etwa „Lehrer für Obama“ oder „Bewohner von Oklahoma für Obama“. Dann konnten sie innerhalb ihrer Gruppe Aktionen organisieren. Außerdem gab es auf der Seite Verlinkungen zum Beispiel zu Blogs oder zu einem Telefon-Banking-Tool für Wahlkampfspenden.

Wofür waren die virtuellen Netzwerke besonders wichtig, um Spenden oder um Wählerstimmen zu gewinnen?

Das Ziel bei unseren Online-Aktionen war, Wählerstimmen zu gewinnen. Fundraising war nur ein Teil der Kampagne. Letztendlich ging es darum, dass jeder Wähler in die Wahlkabine geht und seine Stimme abgibt.

Dass Joe Biden Vizepräsidentschaftskandidat wird, ging per SMS an eine breite Öffentlichkeit. Warum haben Sie sich für diesen Weg entschieden?

Das war Teil unseres Ansatzes, direkt mit dem Wähler in Kontakt zu treten. Traditionellerweise erfährt zuerst eine Gruppe von Reportern Ankündigungen dieser Art. Stattdessen entschied sich das Wahlkampfteam dafür, diesen Moment weniger exklusiv zu gestalten, und jeden miteinzubeziehen, der SMS und E-Mail-Nachrichten von Obama abonniert hatte. Twitter war eins von vielen Instrumenten, die wir benutzt haben, um solche Informationen zu verbreiten.

Welche Rolle hat das Videoportal Youtube für die Kampagne gespielt?

Anhänger von Obama haben Videos hochgeladen, um ihre Unterstützung für die Kampagne ausdrücken und ich würde sagen, diese Videos haben sehr viel positive Energie für die Obama-Kandidatur erzeugt. Die Kampagne hatte auch ein Videoteam, das eigene Filme produziert hat, etwa über die Arbeit der freiwilligen Helfer, oder auch Videos, die Leute aufgefordert haben in einen Swing State zu fahren, um dort Straßenwahlkampf zu betreiben. Außerdem haben wir per E-Mail Unterstützer für den Straßenwahlkampf mobilisiert.

Sie schrieben über die Online-Kampagne "The internet is cool, but don´t loose your focus". Soll heißen...?

Das Internet ist ein Instrument, kein Ziel an sich. Wir mussten uns auf konkrete Ziele konzentrieren: Neue Wähler zu gewinnen, Leute für den Straßenwahlkampf zu mobilisieren, Wahlkampfpartys zu organisieren. Das Internet war ein Mittel, um diese Ziele zu erreichen.

Wenn sie von digitalem politischen Engagement sprechen, wie unterscheidet sich das von "analogem" Engagement?

Bei digitalem politischem Engagement dreht sich alles um große Zahlen bei niedrigen Kosten. Man kann ohne große Ausgaben eine internationale Kampagne führen, mit einem Blog, E-Mails und einer Facebookseite. Es ist die Möglichkeit, Geld und Macht zu trennen, was digitale Technologien so interessant macht.

Sie geben auch Workshops in Schwellenländern über digitales politisches Engagement.

Nach meiner Arbeit im Obama-Wahlkampfteam arbeite ich wieder für DigiActive.org, einer Nichtregierungsorganisation, die Graswurzel-Aktivisten in der ganzen Welt dabei hilft, digitale Technologie zu nutzen. Für DigiActive war ich zum Beispiel in Indien und Marokko, um Workshops zu geben. Unser Ziel ist es, dass Aktivisten in Ländern mit knappen Ressourcen Technologie effektiv für ihre Kampagnen nutzen können. In unseren Trainings vermitteln wir die effektivsten Anwendungen wie Blogs, digitale Videos, Mobiltelefone und soziale Netzwerke.

Öffnen solche digitalen Werkzeuge neue Wege für mehr Demokratisierung?

Das Problem mit dem Begriff "Demokratisierung" ist, dass es sich so anhört, als sei politische Freiheit eine Art industrieller Prozess, dem ein Land unterzogen werden könne. Demokratie muss organisch sein, es muss von den Leuten kommen. Internet und Mobiltelefone sind insofern demokratisch, als dass sie einen breiten Zugang zu Massenkommunikation ermöglichen. Diese Mittel können für Graswurzel-Bewegungen genutzt werden. Außerdem können sie eine alternative Informationsquelle sein, die die Machthaber lieber zum Verstummen bringen würden. Auf diese Weise können Internet und Mobiltelefone ein Mehr an Demokratie bedeuten.

Um online aktiv zu sein, braucht man allerdings auch erstmal einen Computer, einen Internetanschluss und einen gewissen Bildungsstand...

Wer nicht lesen kann, dem nützt das Internet natürlich nichts. Das Internet kann ja nicht alle Probleme lösen. Aber es ist sinnvoll, sobald man lesen kann und genug Geld aufbringen kann, um sich den Besuch in einem Internetcafe zu leisten. Durchs das Internet können sich viele Menschen beteiligen, die vorher nicht politisch aktiv waren. Das Internet macht nicht jeden stärker, nur die, die auch angeschlossen sind und es nutzen.

Bei uns stehen dieses Jahr unter anderem Europawahlen und Bundestagswahlen an. Was raten Sie Parteien, um Wählerstimmen zu gewinnen?

Erstens: Sie müssen von Nutzern produzierte Inhalte mit einbeziehen, das kann einer Kampagne Antrieb geben. Zweitens: Man darf nicht auf ein bestimmtes Tool setzen, weil es neu und schick ist. Man muss auf Mittel setzen, mit denen man seine Ziele gut erreicht, auch wenn sie vielleicht etwas "älter" sind, wie E-Mails beispielsweise. Drittens: Für jede Kampagne ist eine gute Datenbank wichtig - das Wissen über Wähler ist Macht.

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