Australien erstellt "schwarze Liste": Zensur statt Kinderpornografie-Filter

Australiens Regierung will mit einer "schwarzen Liste" gegen Kinderpornografie im Netz vorgehen. Darauf finden sich jedoch auch Organisationen von Abtreibungsbefürwortern und Sterbehelfern.

... nicht nur für Kinderpornografie-Seiten: Australiens Regierung. Bild: dpa

CANBERRA taz Der australische Internetanbieter iiNet zieht sich von einem Blockadeversuch "unerwünschter Webseiten" zurück. "Es wurde immer deutlicher, dass es nicht nur um das Blockieren von Kinderpornografie und anderem illegalem Material geht", sagte iiNet-Chef Michael Malone zur Begründung. Vielmehr wolle die Regierung auch den Zugang zu Webseiten verwehren, auf denen sich sogenanntes "ungewolltes Material" befinde. Es sei aber nicht klar, was Canberra damit meine. "Wir können das nicht mit unserer sozialen Verantwortung und mit unserer Position in der Frage der Zensur vereinbaren", so Malone.

Der Ausstieg des drittgrößten australischen Anbieters aus dem Filter-Versuchsprogramm kommt nur Tage, nachdem im Internet eine "schwarze Liste" verbotener Webseiten veröffentlicht wurde. Zur Empörung von Beobachtern enthielt das geheime Dokument der australischen Internetaufsichtsbehörde Acma nicht nur Webadressen von Kinderpornografie-Seiten. Auch die Adressen von Abtreibungsbefürwortern, Sterbehilfeorganisationen und sogar eines Zahnarztes, einer Schulkantine und eines Tierpflegers waren dabei.

Kommunikationsminister Stephen Conroy reagierte erbost auf die illegale Veröffentlichung und drohte mit Klage. Conroy ist der Architekt des Zensurprogramms, das offiziell zum Ziel hat, den Zugang zu verbotenen Inhalten wie Kinderpornografie zu blockieren. Zwar dürfte es sich bei der Aufnahme der Webseiten unbescholtener Geschäfte um ein Versehen handeln. Doch Kritiker sehen den Vorfall als Beweis dafür, dass die Regierung von Labor-Premierminister Kevin Rudd mit dem von ihr vorgeschlagenen Filtersystem auch Webseiten von Organisationen blockieren will, deren Ziele sie nicht teilt oder die sie für moralisch fragwürdig hält.

Beobachter glauben, Rudd wolle mit der Maßnahme nicht nur die religiösen Kräfte in der eigenen Partei zufriedenstellen, sondern auch den Senator Steve Fielding. Die Unterstützung des unberechenbaren und oft erratischen Vertreters der fundamentalistisch-christlichen Familienpartei braucht die Regierung, um Gesetzesvorlagen durchs Oberhaus bringen zu können.

Betty Peters, 73-jährige Vorsitzende einer Sterbehilfeorganisation, ist "außer sich" über den Eingriff in die Entscheidungsfreiheit. "Wir brauchen keinen 40-jährigen Minister, der uns sagt, was gut und was schlecht für uns ist." Die Regierung will das Filterprogramm nach dem Versuch auf alle Internetanbieter ausdehnen. Sie sollen gezwungen werden, den Zugang zu Webseiten zu blockieren, die auf der laufend aktualisierten "schwarzen Liste" erwähnt sind.

Widerstand gibt es auch von den Anbietern selbst. Die Industrie fürchtet eine deutliche Verlangsamung des Internetverkehrs. Die Anbieter fordern die Regierung auf, Konsumenten die Möglichkeit zu geben, sich freiwillig für ein Filterprogramm anzumelden. Dies funktioniere in anderen Ländern sehr gut.

Professor Bjorn Landfeldt von der Universität Sydney warnt vor den Konsequenzen, die eine versehentliche Aufnahme in die "schwarze Liste" für ein Unternehmen haben könnte. "Plötzlich befindet man sich in Gesellschaft von Kinderschändern oder zumindest in derselben Kategorie." Die "schwarze Liste" käme einer "staatlich sanktionierten Hassliste gleich".

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