Geld verdienen mit Aufforstung: Eine saubere Anlage

In Costa Rica tut Leo Pröstler etwas für das Klima. Er pflanzt Bäume. Der Gründer des Waschbär-Versands macht aus der guten Sache eine Geldanlage - das Stichwort: Aufforstungsfonds.

Mit Teakholz-Bäumen schaffen Leo Pröstler (l.) und Sohn Stefan eine neue Anlageform. Bild: ursula leon

SAN RAFAEL taz Ein Grundstück im mittelamerikanischen Staat Costa Rica. Bäume erobern Erde zurück, auf der noch vor rund 40 Jahren ein artenreicher Regenwald stand. Damals mussten Urwaldriesen eintönigem Weideland weichen. Jetzt wachsen hier wieder Bäume, deren dünne Stämme Leo Pröstler aber noch mit einer seiner kräftigen Hände umgreifen kann. Er überprüft, ob sie gesund sind. Alles sieht gut aus, und Pröstler lächelt. Der Gründer und ehemalige Chef des Ökoversands Waschbär lässt mit seiner neuen Firma BaumInvest die Fläche nahe dem Dorf San Rafael im Norden Costa Ricas wieder aufforsten. So will er Investoren Gewinn verschaffen und gleichzeitig das Treibhausgas Kohlendioxid binden. Die Bäume sollen mehr CO2 speichern als das Gras auf der Weide und später als teures Tropenholz verkauft werden.

Nach diesem Prinzip funktionieren eine ganze Reihe von Fonds und Aufforstungsprojekte (siehe Kasten). "Insgesamt umfasst der Markt weniger als 50 Millionen Euro", sagt Jörg Weber, Chefredakteur von ecoreporter.de, einem Branchendienst für ethische und nachhaltige Geldanlage. "Aber das Volumen legt trotz Finanzkrise zu." Denn Holz sei weitgehend unabhängig von den Schwankungen der Aktienbörsen. "Bäume wachsen, selbst wenn die Finanzmärkte einbrechen." Attraktiv sind solche Projekte, weil Umweltschutzorganisationen wie der WWF Aufforstungen für ein geeignetes Mittel im Kampf gegen den Klimawandel halten. Aus diesen Gründen hat es Pröstler geschafft, seit Oktober 2007 von rund 300 Investoren zusammen 4,5 Millionen Euro einzusammeln. Bis Ende des Jahres sollen es circa 8 Millionen Euro sein. Damit will Pröstler 450 Hektar aufforsten. Das 200-Hektar-Grundstück, das er schon bepflanzt hat, überblickt er nun mit einem Feldstecher. Auf einer Parzelle am Horizont stehen übermannshohe Teak-Bäume. Wenige Meter vor Pröstler wachsen mittelamerikanische Almendros. Rechts daneben Bäume der Sorte Roble Coral. Damit erfüllt die Plantage gleich zwei Forderungen von Umweltschützern: "Keine Monokulturen!", sagt zum Beispiel Wald- und Klimaexpertin Guénola Kahlert vom WWF. Denn wenn Plantagen nur aus einer Art bestehen, sind sie anfälliger für Schädlinge, die womöglich mit umweltschädlichen Pestiziden bekämpft werden. Außerdem ist wichtig, dass die Bäume zur Umgebung passen: Der aus Australien stammende Eukalyptus etwa saugt mit seinen langen Wurzeln anderen Arten das Wasser weg. Deshalb will Pröstler seine Plantage zu 50 Prozent mit einheimischen Bäumen bepflanzen. Pröstler zeigt auf den Himmel, gerade fliegt ein Schwarm Papageien vorbei. Bald sollten noch mehr dieser tropischen Vögel kommen, vor allem die vom Aussterben bedrohte Papageienart Großer Soldatenara, sagt Pröstler. Dazu will er mindestens zehn Prozent der Fläche unbewirtschaftet lassen und ökologisch wertvolle Bäume anpflanzen, die Arten wie dem Soldatenara Lebensraum bieten.

Tropenwald-Experte Thomas Spencer von der Umweltorganisation Germanwatch kennt aber eine noch klimafreundlichere Aufforstungsvariante: Wenn überhaupt kein Holz geschlagen wird. "Doch damit lässt sich kein Geld verdienen und dann würde ich keine Leute finden, die investieren", erklärt Pröstler. Zudem setze er auf Edelhölzer, die zum Beispiel in Möbeln verbaut werden. Darin bleibe ein großer Teil des CO2 auch nach dem Fällen der Bäume langfristig gebunden. Nur: Wer weiß schon, was genau mit dem Holz passiert - die Möbel könnten ja auch irgendwann in der Müllverbrennungsanlage landen, so dass das Treibhausgas entweicht. Sicher ist nur: 50 Prozent des CO2 in den Bäumen werden laut Pröstler freigesetzt, wenn sie gefällt werden.

Mit einem Geländewagen geht es über eine holperige Schotterpiste ins Dorf. Links und rechts stehen ärmliche Häuser, viele haben nur Wellblechwände. Die einzige Kneipe ist dunkel, der Raum hat keine Decke, man sieht von innen direkt auf den nackten Dachstuhl. Pröstlers Sohn Stefan, der die Geschäfte in Costa Rica führt, wird von den Gästen sofort begrüßt und umarmt. Zu Beginn habe BaumInvest den Gemeinderat samt Bürgermeister in einer Versammlung über das Projekt informiert, sagt Leo Pröstler. Um die Akzeptanz zu erhöhen, hat er versprochen, zunächst etwa zehn Frauen jeweils einen Hektar der Plantage zu überlassen, auf dem sie Lebensmittel anbauen können. Auch der WWF fordert, bei Aufforstungsprojekten die Bevölkerung zu integrieren: "Naturschutz kann nur funktionieren, wenn die Leute vor Ort mitmachen", sagt Aktivistin Kahlert.

Aber warum lassen die Anleger aus dem Norden überhaupt in Lateinamerika und nicht im eigenen Land aufforsten? Pröstlers Antwort ist typisch für Forstinvestoren: "In Deutschland dauert das 80 bis 100 Jahre, was ich hier in Costa Rica in 10 bis 20 Jahren fertig habe." Zudem wachsen die Bäume in den Tropen schneller.

Zurück auf der Plantage, kraxelt Pröstler mit schweren Bergschuhen einen Hügel hoch. Seine Firmengründung, der Waschbär-Versand, musste 2001 Insolvenz anmelden und konnte erst unter neuer Führung saniert werden. Wie begegnet Pröstler Sorgen von potenziellen Anlegern, die ihr Geld lieber keinem ehemaligen Pleitier anvertrauen wollen? Der 61-Jährige ist nach dem Aufstieg ein bisschen außer Atem, als er sagt: "Ich habe aus der Waschbär-Insolvenz gelernt. Wir haben bei BaumInvest zum Beispiel keinen einzigen Cent auf Bankkredit bekommen." Waschbär sei schließlich auch unter dem Druck der Banken zusammengebrochen.

Die Erfahrung der Initiatoren ist ein wichtiges Entscheidungskriterium bei der Auswahl von Fonds wie dem von BaumInvest, sagt Karin Baur, Geldanlage-Expertin der Stiftung Warentest. Interessenten sollten die Kosten etwa für die Verwaltung zwischen mehreren Angeboten vergleichen. Natürlich auch die Renditeprognosen, im Fall von BaumInvest im Schnitt 7 Prozent jährlich. Das ist aber nicht so einfach. Zentral ist die Frage, wie viel Teak zum Haupterntezeitpunkt in rund 20 Jahren kosten wird - eine schwere Vorhersage. Ein ungünstiger Wechselkurs könnte die Gewinne schmälern. Aussteigen können Investoren nur, wenn sie für ihren Anteil einen Käufer finden. Im schlimmsten Fall droht der Totalverlust der Anlage - für Unternehmensbeteiligungen gilt kein Einlagensicherungsfonds. Auch einen langen Atem brauchen die Investoren: BaumInvest etwa kündigt die erste Ausschüttung erst für 2022 an. Für Baur ist deswegen klar: "Diese Anlageart gehört zu den riskanten Investments. Man sollte schon ein fünf- bis sechsstelliges Vermögen haben und sich nicht mit mehr als 10 Prozent davon engagieren."

Die Gründungsinvestoren von BaumInvest haben offenbar so viel Geld: Ursula und Michael Sladek etwa, die Gründer des Ökostromanbieters EWS Schönau, haben zusammen 100.000 Euro in das Projekt gesteckt. Genauso wie der bio verlag. Er verkündete seinen Einstieg auch gleich in seiner Zeitschrift Schrot & Korn. Manche seiner Investoren wollten mit BaumInvest auch Marketing betreiben, sagt Pröstler in der Baumschule der Plantage, wo Mitarbeiter in rund 50 Beeten mit roter Erde aus Samen Bäume für die Aufforstung ziehen. Die Gefahr, dass die Anleger mit BaumInvest ihr Öko-Image aufhübschen und nichts tun, um selbst weniger Klimagase zu verursachen, hält Pröstler für gering. "Da ist niemand dabei, dessen wir uns schämen müssten", meint der Unternehmer.

Alle Anleger bekämen demnächst Zertifikate, die ihnen bescheinigen, wie viel Tonnen CO2 ihr Teil der Plantage bindet. Das rechne der TÜV Süd anhand eines neuen Standards der Stuttgarter Organisation CarbonFix aus. Insgesamt 9.000 Durchschnittsdeutsche könnten so ihre Emissionen während der Laufzeit des Projekts ausgleichen. Diese Zertifikate lassen sich auch verkaufen. Ihr Wert könnte noch steigen, falls solche Aufforstungsprojekte auch im geplanten internationalen Klimaabkommen anerkannt würden. Aber das steht noch in den Sternen. Deshalb und weil geeignete CO2-Zertifikate in der Gründungsphase der meisten Aufforstungsprojekte noch nicht auf dem Markt waren, haben Projektanbieter ihre Renditeprognosen oft ohne die Erlöse aus diesem Handel kalkuliert.

Der CarbonFix-Standard ist aber für WWF-Expertin Kahlert auch ein Indiz dafür, dass eine Plantage sozial und ökologisch geführt wird. Das Siegel der Organisation Forest Stewardship Council (FSC), das BaumInvest zusätzlich anstrebt, geht ebenso in diese Richtung. Solche Zertifikate schließen zum Beispiel aus, dass Scharlatane Gebiete eigens für die Aufforstung erst einmal abholzen. Oder dass sie so viel Holz schlagen, dass sich das Ökosystem nicht mehr regenerieren kann. Kahlert warnt dennoch: "Es gibt auf dem Markt eine Menge schwarze Schafe."

Doch selbst das umwelt- und sozialverträglichste Aufforstungsunternehmen ist der Naturschützerin nicht so lieb wie Programme zum Schutz bestehenden Waldes. Schließlich weiß sie: "Ein aufwachsender Baum speichert nicht so viel CO2 wie ein ausgewachsener." Und Klimafachmann Spencer warnt davor, sich durch Aufforstungsprojekte ein reines Gewissen erkaufen zu wollen: "Einen viel größeren Nutzen für das Klima hat es, Energie zu sparen und weniger Treibhausgase zu verursachen."

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