Pfeiffer über Rechtsextremen-Studie: "Natürlich stimmt das"

Trotz Kritik bleibt Christian Pfeiffer dabei: 3,8 Prozent der Neuntklässler sind nach seiner Untersuchung Mitglied in einer rechtsextremen Gruppe. Der Verfassungsschutz habe kein vollständiges Bild.

Ärgert sich über "die üblichen Verharmlosungsversuche": Kriminologe Pfeiffer. Bild: dpa

taz: Herr Pfeiffer, nach Ihrer neuen Studie sind 3,8 Prozent der Neuntklässler hierzulande Mitglied in einer rechtsextremen Gruppe oder Kameradschaft, bei den Jungen sind es sogar 4,9 Prozent. Das wären 34.000 Jugendliche insgesamt. Kann das wirklich stimmen?

Christian Pfeiffer: Natürlich stimmt das. Der Verfassungsschutz, mit dessen Zahlen unsere ja jetzt verglichen werden, hat kein vollständiges Bild. Er hat nur seine Hellfelddaten von erkannten Gruppierungen. Dieser scheinbare Widerspruch erklärt sich wie bei Raubdelikten: Da haben wir auch das etwa Dreifache dessen gemessen, was die Polizei weiß. Wir erfassen eben auch nicht angezeigte Straftaten. Es ist in der Forschung völlig normal, dass die Dunkelfelddaten über den Hellfelddaten liegen.

Der Verfassungsschutz geht insgesamt von 31.000 Mitgliedern in rechtsextremen Gruppen oder Organisationen und subkulturellen Gruppen aus - hinkt die Behörde also der Realität hinterher?

Das ist immer so, auch bei der Polizei. Wir haben ja keine totale Transparenz der Menschen.

Geht es in Ihrer Studie also wirklich um die Mitgliedschaft in einer rechtsextremen Gruppe - oder nur um Affinität zur rechtsextremen Szene? Was haben Sie genau gefragt?

Wir haben gefragt, ob sie aktives Mitglied in einer rechten Gruppe oder Kameradschaft sind. Und getrennt davon haben wir nach Einstellungen gefragt, also zum Beispiel ob sie Äußerungen, wonach die Ausländer rausmüssen, zustimmen.

Rechte Gruppe? Haben Sie den Jugendlichen erklärt, dass Sie damit rechtsextreme Gruppen meinen und nicht, wenn ein paar Jugendliche gemeinsam abhängen und alle rechtes Zeug im Kopf haben?

Nein, das braucht man denen nicht zu erklären. Die Jugendlichen, die Mitglied in einer solchen Gruppe oder Kameradschaft sind, die wissen das. Kameradschaft ist der Fachterminus. Eine Riesenzahl von Jugendlichen hat diese Frage ja auch verneint, obwohl sie rechtsextreme Einstellungen haben - diese Zahl ist fast doppelt so hoch. Das haben die Jugendlichen selber genau unterschieden.

Kritiker sind der Ansicht, das reiche nicht aus. Ihre Kategorie sei ungenau.

Nein, das ist sie nicht. Das sind die üblichen Verharmlosungsversuche. Wir haben ja auch viele Gebiete, in denen kein Jugendlicher angegeben hat, dass er Mitglied ist. Das zeigt auch, dass es hier nicht um Angeberei gehen kann, wie manche kritisieren. Schließlich wird nicht in bestimmten Gebieten angegeben und in anderen nicht. Außerdem haben wir Fragen drin, mit denen man solche Angeberei überprüfen kann.

Alle Fachleute waren von Ihren Zahlen überrascht. Wie erklären Sie sich diese hohe Anzahl der organisierten Jugendlichen?

Meine Hypothese ist, dass überall dort, wo rechtsextreme Konzerte stattfinden, sich solche Gruppeneffekte ergeben können. Der Verfassungsschutz sagt, dass sich die Zahl der aktiven rechtsextremen Bands in den letzten fünf Jahren um 60 Prozent erhöht hat. Wir untersuchen auch die Aktivitäten der NPD und die Rolle der Zivilgesellschaft. Das Auffälligste sind ja diese großen regionalen Unterschiede, auch im Osten. Diese werden wir jetzt in einem nächsten Forschungsschritt untersuchen. Anfang Mai werden wir in die 61 Gebiete reisen und mit diesem Teil der Forschung anfangen.

INTERVIEW: SABINE AM ORDE

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.