Bericht der UNO-Drogenkommission: Weltweit so viel Drogen wie noch nie

Die UN-Drogenkommission zieht in Wien eine ernüchternde Bilanz: Der "Anti-Drogen-Kampf" ist gescheitert. Konsum und Profit halten das Geschäft aufrecht. Niemand weiß Rat.

Sitzung der UN-Drogenkommission in Wien: Evo Morales und Königin Silvia sind dabei. Bild: dpa

"Ja zum Kokablatt! Nein zum Kokain!" Mit diesem Slogan eröffnete Boliviens Präsident Evo Morales seinen neuesten Vorstoß zur Entkriminalisierung des Kokablatts, das in Bolivien seit Jahrtausenden gekaut wird. Einige der Delegierten zur 52. Sitzung der UN-Drogenkommission in Wien spendeten sogar Applaus, als sich Morales während seiner Rede im Plenum einige Blätter des umstrittenen Strauchs in die Backe stopfte.

Morales, der ehemalige Anführer der Kokabauerngewerkschaft, der 2005 zum Präsidenten gewählt wurde, lobte auch die medizinischen und kosmetischen Tugenden des Blatts und kündigte an, er werde beantragen, dass Koka endlich von der Liste der verbotenen Substanzen der Wiener Drogenkonvention von 1961 genommen werde. Dass die UNO seinem Vorschlag folgt, ist indes unwahrscheinlich. Denn die Sondertagung der UN-Generalversammlung (UNGASS), die Mittwoch in Wien zusammentrat und nach zehn Jahren weltweiten "Kampfes gegen Drogen" Bilanz zog, ist für neue Konzepte wenig aufgeschlossen. Obwohl die Ergebnisse der globalen Antidrogenstrategie verheerend sind, lautet ihr Rezept: mehr vom selben.

Nach Ende der Konferenz wird sie eine Erklärung veröffentlichen, die die Drogenstrategie der UN für die nächsten zehn Jahre bestimmt. Der Inhalt des Dokuments ist teilweise durchgesickert, und Experten von Nichtregierungsorganisationen, die sich mit Drogenpolitik befassen, können über so viel Einfallslosigkeit nur den Kopf schütteln. Afghanistan, wo unter der Herrschaft der Taliban (1996-2001) der Anbau von Schlafmohn ebenso brutal wie erfolgreich bekämpft wurde, ist seit der US-Intervention wieder Opium- und Heroinproduzent Nummer eins. Die Taliban finanzieren heute ihren Widerstand gegen die Zentralregierung mit dem Drogengeschäft. Nach einem am Dienstag in Wien präsentierten Bericht der EU-Kommission hat sich die Rohopiumproduktion zwischen 1998 und 2007 von 4.346 Tonnen auf 8.870 Tonnen verdoppelt. 90 Prozent davon kommen aus Afghanistan. Auch in Kolumbien haben die Vereinten Nationen dem aggressiven Koka-Vernichtungsprogramm Plan Colombia, den die USA dem engsten Verbündeten auf dem Subkontinent verordneten, nichts entgegenzusetzen. Die Sprühaktionen mit Entlaubungsmitteln vernichten zwar auch legale Kulturen und führen zu Missbildungen bei Mensch und Tier, doch die Nettoanbaufläche von Koka wächst - auf Kosten des Tropenwaldes am Äquator. Die Produktion stieg in einem Jahrzehnt von 825 auf 994 Tonnen. Westafrika wurde zur Drehscheibe für den Kokainhandel zwischen Lateinamerika und Europa. Die Regierungen von Mexiko und Guinea Bissão drohen den Krieg gegen die Drogenmafia zu verlieren. Auf der Transitstrecke zwischen Afghanistan und der EU werden immer mehr Menschen durch Billigdrogen in Abhängigkeit gebracht. Die Verbreitung von Aids durch infizierte Spritzen steigt.

Diese Bilanz sollte die UNO-Drogenkommission UNODC eigentlich zum Überdenken ihrer bisherigen Politik bewegen, meinen etwa die Experten der European Coalition for Just and Effective Drug Policies (ENCOD), die vor dem UNO-Sitz in Wien eine Demonstration für eine nüchterne Drogenpolitik veranstalteten. Menschen im Käfig sollten die Millionen von Drogenhändlern und -konsumenten symbolisieren, die in den vergangenen zehn Jahren eingesperrt wurden.

Unbehagen mit der starren Prohibitionspolitik, die zwar Millionen für Repression, aber wenig für Prävention ausgibt, zeigten auch einige europäische Delegationen. Der deutsche Delegierte verlas ein von neun weiteren EU-Vertretern unterzeichnetes Papier, in dem er seine Vorbehalte zum Antidrogenplan der kommenden Dekade anmeldete.

Die Nachricht des Tages: Der Konsum von Cannabis ist rückläufig, obwohl der Preis sinkt. Ein paar Joints reichen den meisten Jugendlichen. Zur Gewohnheit wird Kiffen derzeit nicht.

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