Verlust bei BVG-Scheingeschäften droht: Fiasko ohne Grenzen

Um Geld zu machen hat die BVG sich an Cross-Border-Leasing-Geschäften beteiligt. Doch einige beteiligte Banken waren nicht so verlässlich als erhofft. Der BVG droht ein Millionenverlust.

Am Ende zahlt es doch der Fahrgast. Oder bleiben wegen der möglichen Millionenausfällen die U-Bahnen der BVG dann im Depot? Bild: reuters

Den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) könnte ein risikoreiches Finanzgeschäft auf die Füße fallen. Denn wegen der Finanzkrise sind Unternehmen zahlungsunfähig geworden, die an einem grenzüberschreitenden Geschäft zur Vermietung von Fahrzeugen beteiligt waren. Die BVG rechnet daher damit, dass noch in diesem Jahr Forderungen gegen das landeseigene Unternehmen in zweistelliger Millionenhöhe geltend gemacht werden. Wer das Geld am Ende wirklich zahlen muss, ist noch nicht geklärt - die BVG will versuchen, den möglichen Schaden bei den Unternehmen einzuklagen, die sie falsch beraten haben. Die Opposition befürchtet bereits höhere Ticket-Preise. Die BVG und der Senat verteidigen sich damit, dass das Risiko nicht absehbar gewesen sei.

Das so genannte Cross-Border-Leasing der BVG ist ein Scheingeschäft, bei dem auf dem Papier Straßen- und U-Bahnen an ein US-Unternehmen vermietet und gleichzeitig wieder zurückgemietet wurden. Ziel der Transaktion war es, ein Steuerschlupfloch in den USA auszunutzen und den dadurch entstandenen Gewinn zwischen US-Unternehmen und BVG aufzuteilen (siehe Text unten).

Die BVG hatte in den Jahren 1997 bis 2002 insgesamt 22 Cross-Border-Leasing-Verträge über 427 U-Bahn-Wagen und 511 Straßenbahnen abgeschlossen. Die Laufzeit der Verträge reichte von 12 bis 30 Jahren. Das Unternehmen machte damit einen Gewinn von 69 Millionen Euro. Die Verträge aus dem Jahr 1997 werden jetzt durch die Folgen der Finanzkrise zu einem Risiko. Im Dezember 2008 hat der Aufsichtsrat der BVG bereits vorsichtshalber in seiner Bilanz eine Rückstellung von 156,3 Millionen Euro angelegt. Die BVG geht inzwischen davon aus, dass in diesem Jahr etwa die Hälfte davon auch bezahlt werden muss. Sollte das passieren, will die BVG die Bank JPMorgan Chase wegen schlechter Beratung auf Schadensersatz verklagen.

Der grüne Finanzpolitiker Jochen Esser kritisiert: "Offenbar haben die Verantwortlichen das Wesen dieser Geschäfte bei Vertragsabschluss nicht verstanden und sich auf die Berater verlassen." Die BVG habe "die Katze im Sack" gekauft und werde jetzt zur "Giftmülldeponie für Papiere, die nichts mehr wert sind". Die Schulden der BVG würden in absehbarer Zeit auf über eine Milliarde Euro steigen: "Am Ende werden vermutlich der Steuerzahler oder die Fahrgäste die Zeche zahlen müssen." Das befürchtet auch der CDU-Haushaltspolitiker Florian Graf.

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) verteidigte sich im Parlament damit, man habe die Finanzkrise und ihre Auswirkungen nicht ahnen können: "Insoweit war dies vor dem damaligen Informationsstand die Entscheidung, wie sie geboten schien. Dass sich aus heutiger Sicht die Dinge anders darstellen, ist absolut klar", so Sarrazin. Zudem beteuerte er, "dass niemand sich darüber mehr ärgert als ich".

Die BVG schließt nicht aus, dass wegen des sich abzeichnenden Debakels in einigen Jahren entweder die Ticketpreise erhöht werden müssen oder das Unternehmen höhere Zuschüsse vom Land Berlin - derzeit sind es rund 300 Millionen Euro pro Jahr - benötigt.

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