Tatort "Der tote Chinese": Von Menschen und Gütern

Im Transitraum Flughafen und im heutigen Interkontinentalverkehr werden alle und alles zur Ware. Und im "Tatort: Der tote Chinese" werden Gehandelte plötzlich zu Händlern.

Messen selbstverloren die langen Flure des Flughafens aus: Kommissare Charlotte Sänger (Andrea Sawatzki) und Fritz Dellwo (Jörg Schüttauf). Bild: HR/DEGETO/Bettina Müller

Hier das enge Gängesystem eines Container-Terminals, dort der offene Glas-und-Stahl-Bau des Airport-Hotels: In dieser "Tatort"-Episode inspizieren die Macher ausgiebig die unterschiedlichen logistischen und architektonischen Strukturen, in denen sich der heutige Interkontinentalverkehr vollzieht. Menschen und Güter sind darin ja oft nicht auseinander zu halten. So warten auf dem Frankfurter Frachtumschlagplatz in einen Container gesperrt ein paar Dutzend chinesische Flüchtlinge auf ihre Rettung, während in der edlen Business-Class-Absteige der Mord an einem chinesischen Geschäftsmann untersucht wird.

Beim stark alkoholisierten, nächtlichen Gewichtheben wurde dem Mann aus Fernost die Kehle zugedrückt. Ein chinesischer Raumpfleger (Chike Chan), der sich illegal in Deutschland aufhält, fand ihn am nächsten Morgen und machte sich mit dem Reisepass des Toten Richtung USA aus dem Staub - wird nun aber in die Menschenhändlergeschäfte des Ermordeten verstrickt. Sänger (Andrea Sawatzki) und Dellwo (Jörg Schüttauf) müssen also im Flughafenkosmos ermitteln und sind aufgrund Dolmetscher-Mangels auch noch auf die Hilfe der Unternehmer-Assistentin Min Li Sun (Meylan Chao) angewiesen. Die Chinesin fahndet seit einem Jahr nach ihren Eltern, die offensichtlich in die Hände von Menschenschmugglern geraten sind.

Hier die Elendsflüchtlinge, dort das Establishment: Regisseur Hendrik Handloegten, der schon für seinen Kölner Tatort "Pechmarie" ein kunstvolles Spiel mit Identitäten trieb, weicht diese eigentlich undurchlässige Trennlinie für seine Erzählung (Ko-Autor: David Keller) kurz auf: Der Chinese auf der Flucht wird zum Grenzgänger zwischen dem Flüchtlingsuntergrund und der Welt des großen Geldes. Er erwacht aus der Illegalität zum Leben, indem er in die Rolle des Toten schlüpft.

Dabei bleibt Handloegtens Blick kunstvoll auf den Ort des modernen Menschen- und Warenflusses fokussiert: Während der Soundtrack stoisch pluckernde Krautrockschlaufen auffährt, sieht man die Menschen selbstverloren die langen Flure des Flughafens ausmessen: Überall surren Scheintote und Lebensmüde auf Laufbändern und in Passagierloren durchs Airport-Ambiente.

"Tatort: Der tote Chinese": So., 20.15 Uhr, ARD

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