Berufungsurteil über Kölner "Komaschläger": Hinter verschlossenen Türen

Das Landgericht Köln revidiert die umstrittene Entscheidung der Vorinstanz: Ein 19-Jähriger, der einen Mann zum Invaliden geschlagen hat, verfügt doch über "schädliche Neigungen".

KÖLN taz Zu einer Jugendhaftstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung hat das Landgericht Köln den als "Komaschläger" bekannt gewordenen Erdinc S. verurteilt. Es revidierte damit am Freitagnachmittag die umstrittene Entscheidung der Vorinstanz, die Festlegung einer Strafe aufzuschieben. Anders als das Amtsgericht kam das Landgericht zu der Überzeugung, dass "schädliche Neigungen" bei dem 19-jährigen Jugendlichen vorlägen.

An Weiberfastnacht 2007 hatte Erdinc S. im Kölner Stadtteil Ostheim nach einem Streit den Erwerbslosen Waldemar W. geschlagen. Dabei stürzte der frühere Ford-Arbeiter so unglücklich gegen die Glasscheibe einer Telefonzelle, dass er wochenlang im Koma lag. Die Ärzte attestierten ein "Schädelhirntrauma mit Gehirneinblutungen". Seitdem ist er zu sechzig Prozent schwerbehindert.

Erdinc S. habe sich der schweren Körperverletzung schuldig gemacht, befand die Vorsitzende Richterin Ulrike Ulrike Grave-Herkenrath. Die schweren Hirnverletzungen seines Opfers habe er jedoch nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig herbeigeführt. Deswegen blieb das Gericht deutlich unter dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafmaß von dreieinhalb Jahren Haft. Da der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat minderjährig war, tagte das Gericht hinter verschlossenen Türen.

"Das Urteil ist nachvollziehbar", kommentierte Nebenklageanwalt Bernd Neunzig die Entscheidung. Jetzt steht noch die zivilrechtliche Auseinandersetzung an. Waldemar W. klagt auf Schmerzensgeld. 80.000 Euro will Neunzig für seinen Mandanten erstreiten. Der Prozess ist für Februar kommenden Jahres terminiert.

Laut Angaben seines Verteidigers Andreas Bartholomé zeigte sich Erdinc S. über die Aussetzung der Haftstrafe auf Bewährung erleichtert. "Ob wir in Revision gehen, ist ungewiss", sagte Bartholomé. Den Gerichtssaal konnte sein Mandant trotzdem nicht als freier Mann verlassen: Er sitzt derzeit schon wieder in Untersuchungshaft. Der Grund sind zwei weitere gewalttätige Auseinandersetzungen im Juni und August. Wegen des Vorwurfs der schweren Körperverletzung wird er deswegen bereits Mitte Januar erneut vor Gericht stehen. Im Falle einer Verurteilung bleibt Erdinc S. dann das Gefängnis wohl nicht mehr erspart.

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