Frauen cineastisch unterschätzt: Das Jahr der Jungsfilme

Die Kassenknüller oder Kritikerlieblinge des Jahres 2008 sind maskulin - während Männer im Kino die Hauptrollen spielten, mussten sich Frauen als Randdekoration begnügen.

Der Mann ist in Hollywood gefragter denn je - wie der anarchistische Joker in "The Dark Knight". Bild: ap

Nicole Kidman ist gerade zum "Kassengift" erklärt worden: Ihr neuer Film "Australia", der um die 130 Millionen Dollar gekostet haben soll, hat in seiner ersten Woche weniger als 20 Millionen eingespielt. An Ko-Star Hugh Jackman, eben erst zum "sexiest man alive" gekürt, kann es nicht gelegen haben, so die allgemeine Überzeugung. Das Marketing des Films wird nun weg von Kidmans Heroine auf den kleinen Jungen, dem sie sich im Film mütterlich annimmt, konzentriert.

Nein, für Frauen im Kino war 2008 wahrlich kein gutes Jahr. Begann es doch mit Filmen wie "No Country For Old Men", der vor allem in einem Land "for no women of any age" spielte, und "There Will Be Blood", bei dem selbst Menschen, die ihn zweimal angeschaut haben, lange darüber nachdenken müssen, ob darin außer als Statistin überhaupt eine weibliche Person mitwirkt. Doch, es gibt da dieses kleine Mädchen… Sowohl Sidney Lumets gefeierter "Tödliche Entscheidung" als auch Woody Allens "Cassandras Dream" zeigten Brüderpaare in tragischer Verstrickung mit Vätern und Onkeln, während Mütter und Freundinnen allenfalls Stichworte geben dürfen.

Damit nicht genug: Auch im Superheldenkino, das dieses Jahr mit Filmen wie "Hancock", "Iron Man" und vor allem der groß gefeierte Finanzkrisenankündigungs-Batman "Dark Knight" boomte, sind weibliche Figuren nur Randdekoration. Ab und zu ein verweintes Gesicht oder ein vorwurfsvoller Blick, wie man das bei den Traditionsmarken des Männerheldengenres wie "Indiana Jones" und "James Bond" noch nie anders gewohnt war.

Auf der Suche nach Ausnahmen im testeronlastigen Kinojahr muss man schon auf Filme wie "Mamma Mia" und "Sex And The City" zurückgreifen - und stellt dabei mit Schrecken fest, dass selbst im klassischen Mädchengenre der Komödie sich mit den Filmen der Judd-Apatow-Factory ("Nie wieder Sex mit der Ex" und "Ananas Express") die männlichen Helden ganz schön breitgemacht haben.

Fast kurios erscheint angesichts dieser Entwicklungen Woody Allens aktueller Film "Vicky Cristina Barcelona", in dem gleich drei Frauen starke Auftritte haben. Wie überhaupt der Arthousebereich zum letzten Refugium weiblicher Leinwandhelden wird. Man denke etwa an Berlinale-Gewinnerin Sally Hawkins in "Happy-go-lucky". Obwohl: mit Gus van Sants Biopic "Milk", mit Ron Howards "Frost/Nixon" und Darren Aranofskys "Wrestler" stehen auch in den nächsten Monaten vor allem Männerhelden ins Haus.

Woran das liegt? Die einen sagen, schuld seien Hollywoods Marketingstrategen, die im klassischen Meutedenken (alle laufen dem einen Erfolgsrezept nach) nur noch auf den Geschmack der "Gamer" setzen, jener 16- bis 29-jährigen Jungs, die mehr am Computer als an Frauen interessiert sind, und von denen man glaubt, dass sie beim Anblick älterer weiblicher Wesen (solche über 35) unwohle Gefühle kriegen.

Die anderen geben einmal mehr die Schuld der Emanzipation selbst, mit der das weibliche Kino-Diventum, der Star als geheimnisvolles, vergöttertes, erotisiertes Wesen, eben nicht mehr zu vereinbaren sei. Und vielleicht gibt es tatsächlich keinen Grund, alten Zeiten nachzutrauern: Im Fernsehen übrigens, besonders im amerikanischen, boomen derzeit die Frauenrollen. BARBARA SCHWEIZERHOF

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