Lesestudie 2008: MigrantInnen sind die Leseratten

MigrantInnen lesen häufiger als Deutschstämmige, fand die Stiftung Lesen heraus - und war überrascht. Allerdings fragt die Lesestudie nicht danach, in welcher Sprache gelesen wird.

Wer steckt dahinter? Wahrscheinlich ein/e MigrantIn. Bild: dpa

BERLIN taz MigrantInnen in Deutschland lesen häufiger als Deutsche ohne Migrationshintergrund. Das ist das Ergebnis der Lesestudie 2008, die von der Stiftung Lesen unter Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) am Mittwoch veröffentlicht wurde. Es gilt als überraschend, weil Kinder von MigrantInnen in der Pisa-Studie eine sehr viel geringere Lesekompetenz an den Tag legten als deutschstämmige Kinder.

46 Prozent der in der Studie befragten Migranten lesen ein bis fünf Bücher im Jahr (44 Prozent der befragten Deutschen), 2 Prozent lesen 50 und mehr Bücher (3 Prozent der Deutschen). MigrantInnen greifen sogar etwas häufiger zum Buch als Deutschstämmige: 11 Prozent lesen täglich (8 Prozent der Deutschen), und nur 20 Prozent aller befragten Migranten lesen nie ein Buch (26 Prozent der Deutschen). Aus der Pisa-Studie 2000 hatten Forscher dagegen geschlossen, dass Migrantenkinder besonders wenig lesen. Allerdings fragt die Lesestudie nicht danach, in welcher Sprache die MigrantInnen so viel lesen - wohingegen die Pisa-Studie die Lesekompetenz auf Deutsch untersucht.

Der neuen Studie der Stiftung Lesen nach ist Migration kein entscheidender Faktor für das Leseverhalten - es sind vielmehr Bildung bzw. Schulabschluss, Schichtzugehörigkeit und das Leseverhalten der Eltern, die darüber entscheiden, wie viel ein Mensch in Deutschland liest. Dieser Zusammenhang ist sogar noch stärker für Deutsche ohne Migrationshintergrund als für MigrantInnen, die auch mit Hauptschul- oder fehlendem Schulabschluss, geringem Einkommen und fehlender Lesesozialisation noch eher zum Buch kommen als ihre deutsche Vergleichsgruppe.

Bei der Auswahl des bevorzugten Mediums gibt es klare Unterschiede: Deutsche lesen vergleichsweise mehr Zeitungen und Zeitschriften und hören mehr Radio. Die MigrantInnen hingegen nutzten besonders stark elektronische Medien und lasen mehr Sachbücher.

Die Stichprobe ist, was den Bildungsstand betrifft, weitgehend repräsentativ für junge Deutsch sprechende Migranten: 30 Prozent der für die Studie befragten Migranten hatte einen Hauptschulabschluss, 15 Prozent besaßen gar keinen Schulabschluss. Die Herausgeber der Studie stellen fest, es gebe trotzdem eine große Gruppe bildungsorientierter Migranten, die offensichtlich eine neue "Lese-Mittelschicht" in Deutschland bildeten.

Die Lesestudie 2008 hält noch eine andere Überraschung bereit: Die Hälfte aller männlichen und 39 Prozent aller weiblichen Jugendlichen geben an, sie hätten als Kind nie ein Buch geschenkt bekommen - das sagen auch immerhin 39 Prozent all jener Kinder, deren Eltern Abitur und/oder einen Universitätsabschluss haben.

Ein Viertel der in Deutschland Lebenden sind gänzlich "leseabstinent". 45 Prozent dagegen lesen gern. Männer eher informationsorientiert, Frauen dagegen eher zum Vergnügen. Ein gutes Zehntel der Befragten nutzt eher den Computer, als Bücher zu lesen.

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