Nach Schießerei in Göttingen: Waffenarsenal bei Rechtsextremen

Nach der Schießerei und dem Brandanschlag von Rechtsextremen auf eine Göttinger Bar wird ein Waffenlager ausgehoben. Die Polizei spricht von "hohem Aggressionspotenzial" und nennt den Fund "besorgniserregend".

Kam im Göttinger Nachtlokal zum Einsatz: eine beschlagnahmte Pumpgun. Bild: DPA

Die Göttinger Polizeibeamte haben die Funde auf einem Tisch ausgebreitet. Neben der Pumpgun liegt ein Revolver, darunter vier Bajonette mit langen Klingen. Ein Teil der Munition, insgesamt etwa 450 Schuss, steckt in Patronengurten, der Rest noch in den Verpackungen. Eine ebenfalls beschlagnahmte Maschinenpistole und ein Repetiergewehr werden noch von Kriminaltechnikern untersucht.

Die Polizei hat das gestern präsentierte Arsenal in den Wohnungen von fünf Rechtsextremisten aus der Region sichergestellt. Die Ermittlungen gegen diese Gruppe waren am frühen Sonntagmorgen angelaufen, nachdem mit der Pumpgun in einer Göttinger Striptease-Bar geschossen und Molotow-Cocktails auf das Gebäude geschleudert worden waren.

Drei der fünf Neonazis, die nach dem Schuss in einem Göttinger Strip-Lokal und dem Brandanschlag auf das Gebäude festgenommen wurden, gehören der rechtsextremen "Kameradschaft Einbeck" an. Ein vierter Mann wird zur Neonazi-Szene von Bad Lauterberg gezählt. Der fünfte, dem das Abfeuern der Pumpgun zur Last gelegt wird, ist laut Polizei nicht organisiert. Er wohnt als einziger der Männer in Göttingen.

Das ist wohl kein Zufall. Denn in der Universitätsstadt gibt es neben dem NPD-Ortsverein keine geschlossenen rechtsextremistischen Strukturen. Die durchaus aktiven Einzelpersonen organisieren sich, wenn überhaupt, in Kameradschaften auf dem Land mit bis zu 50 Mitgliedern. Die Landkreise Northeim und Osterode gelten bei Verfassungsschützern als ein Brennpunkt der Neonazi-Szene in Niedersachsen. RP

Das Lokal gilt als Treffpunkt auch der rechten Szene. Im vergangenen Juli war dort ein Rechtsrock-Konzert geplant, nach Protesten untersagte die Stadt Göttingen die Veranstaltung jedoch "aus konzessionsrechtlichen Gründen". Die fünf polizeilich bekannten und teilweise wegen verschiedener Delikte bereits verurteilten Männer zwischen 25 und 38 Jahren hatten den bisherigen Ermittlungen zufolge in der Bar mit viel Alkohol den Geburtstag eines Kameraden gefeiert. Dabei gerieten sie mit dem Geschäftsführer des Etablissements in einen Streit - "so weit wir wissen, aus persönlichen Gründen, also ohne politische Hintergründe", sagte am Montag Göttingens Polizeichef Hans Wargel.

Während der Auseinandersetzung habe einer der Neonazis die Pumpgun aus einem Seesack hervorgeholt und auf den Geschäftsführer geschossen. Weil dieser sich wehrte, hätten die Schrotkugeln nur die Wand getroffen. Nach einem heftigen Handgemenge, in dessen Verlauf zwei Rechtsextremisten erheblich verletzt worden sein sollen, verließ die Gruppe das Lokal. Kurz darauf flogen mindestens zwei Brandsätze gegen die Fassade des Gebäudes. Ein Angestellter konnte die Flammen jedoch rasch mit einem Feuerlöscher ersticken.

Erst nach dem versuchten Anschlag wurde aus dem Lokal, in dem sich zur Tatzeit nach Augenzeugenberichten etwa 20 Gäste aufhielten, die Polizei alarmiert. Die Beamten nahmen drei der Verdächtigen noch in der Nähe des Tatortes fest, die beiden anderen wurden im Verlauf einer Fahndung im Stadtgebiet verhaftet. Einer der Männer soll nach anfänglichem Schweigen inzwischen Angaben zur Sache gemacht haben.

Gegen den mutmaßlichen Schützen, der in Göttingen wohnt und als einziger der fünf Männer nicht in einer so genannten "Freien Kameradschaft" organisiert sein soll, wird nun wegen des Verdachts des versuchten Totschlags, versuchter schwerer Brandstiftung und Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz ermittelt, sagte am Montag der Göttinger Oberstaatsanwalt Hans-Hugo Heimgärtner. Gegen zwei weitere Männer laufen Ermittlungen wegen versuchter schwerer Brandstiftung. Über die von der Staatsanwaltschaft beantragten Haftbefehle hatte das örtliche Amtsgericht am späten Nachmittag noch nicht entschieden.

Polizeichef Wargel bezeichnete es als "Besorgnis erregend, dass Rechtsextremisten über solche Waffen verfügen". Die Vorfälle und die sichergestellten Gegenstände belegten die "hohe kriminelle Energie" und das "hohe Aggressionspotenzial" von Angehörigen der rechten Szene. Für die weiteren Ermittlungen hat die Polizei eine 20-köpfige Sonderkommission eingesetzt.

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