Quarzsandhandschuh bei der Polizei: Ein handfester Skandal

Schlagverstärkende Handschuhe sind keine Ausnahme bei der Polizei. Ein Beamter schätzt: Jeder Fünfte in den Einsatzhundertschaften hat sie. Polizeipräsident hatte sie als Waffe bezeichnet.

Man erkennt den Polizisten nicht gleich an, ob sie Quartzsandhandschuhe tragen. Bild: DPA

Optisch ist kein Unterschied auszumachen, aber man kann ihn spüren: Quarzsandhandschuhe sind schwerer als Lederhandschuhe, mit denen Polizisten von der Behörde ausgestattet sind. Am Handrücken und im Knöchelbereich sind sie mit feinem Sand gefüllt. Das erhöht die Wirkung der Faust. Solche Handschuhe sind vor allem unter Neonazis, Antifas und in der Türsteherszene beliebt. "Ein Schlag mit einem Quarzsandhandschuh ersetzt drei Schläge mit dem normalen Einsatzhandschuh", sagt ein Kenner. "Der Gegner ist sofort k. o."

Security-Ausstatter bieten die Handschuhe im Internet "als professionelle Einsatzhandschuhe für Polizei, Bundespolizei, Zoll und Bundeswehr" an. Die Marke Sap Gloves "RoMaXX" bietet für 34,90 Euro "circa 100 Gramm Quarzsandfüllung" und "hohen Tragekomfort".

In Chatforen wie Cop-Zone diskutieren anonyme Polizisten offen das Für und Wider. In einem Beitrag heißt es: "Bei uns in Bayern darf man diese Handschuhe nicht tragen, weil sie kein vom Dienstherr genehmigter Ausrüstungsgegenstand sind. Wenn man ehrlich ist, würde es wohl niemand bemerken. Aber wenn dann wirklich etwas passiert, gibts hinterher mächtig Ärger vom Dienstherrn und vom Richter." PLU

Bei der Polizei haben sich offenbar weitaus mehr Beamte schlagkraftverstärkende Handschuhe beschafft als bisher bekannt. Von den rund 1.900 Beamten der Berliner Einsatzhundertschaften (EHU) seien rund 20 Prozent im Besitz von Quarzsandhandschuhen, schätzt ein Beamter, der sich auskennt.

Erst vor anderthalb Wochen war durch einen Hinweis einer Polizistin bekannt geworden, dass in einem aus 30 Beamten bestehenden Zug einer EHU der Direktion 4 in zwölf Einsatztaschen Quarzsandhandschuhe gefunden worden. Sieben Führungskräfte, darunter der Hundertschaftsführer und der Zugführer, stehen im Verdacht, ihre Untergebenen gedrängt zu haben, die Handschuhe privat zu kaufen. Zudem sollen sie ein unverhältnismäßig hartes Vorgehen im Einsatz verlangt haben. Polizeipräsident Dieter Glietsch hatte das als "Skandal" bezeichnet. Für ihn seien Quarzsandhandschuhe "eine Waffe", hatte der Polizeipräsident erklärt. "Der einzige mir bekannte Zweck ist, anderen Verletzungen zuzufügen."

"Die Hundertschaft der Direktion 4 ist mit Sicherheit nicht die einzige Einheit", sagt nun der Beamte, der anonym bleiben will. Wegen des guten Tragekomforts, der besseren Schutzfunktion und der erhöhten Schlagwirkung seien die gepolsterten Handschuhe sehr beliebt. Dass Glietsch die Vorgänge so scharf verurteile, sei intern "mit Betroffenheit und Unverständnis" aufgenommen worden.

"Die Mitarbeiter investieren nicht aus Jux und Dollerei 45 Euro für ein Paar Handschuhe", so der Beamte zur taz. Anders als normale Handschuhe säßen die quarzsandgefüllten wie angegossen (siehe Kasten). "Man kann damit gut greifen und festhalten, sie sind feinfühlig und engen nicht ein", berichtet der Beamte. Die höhere Schlagwirkung diene dem eigenen Schutz: "Es ist ein Unterschied, ob ich einen Gegner boxe, der sich dann nur schüttelt und mir eins auf die Nase haut. Oder ob ich ihn boxe und er danach handlungsunfähig ist."

Natürlich sei in den Einheiten bekannt, dass Quarzsandhandschuhe verboten sind. Dennoch seien sie existent. "Der Polizeipräsident wird das nicht wissen, aber Beamte, die täglichen Umgang mit den operativen Kräften haben", sagt der Beamte. Das gelte im Übrigen nicht nur für die Berliner Polizei.

Die Stimmung bei den Berliner Einheiten beschreibt der Beamte so: "Dass sich das Gegenüber mit Messern, Reizgas, Steinen und Flaschen bewaffnet, wird als normal hingenommen. Aber wenn sich ein Polizist Quarzsandhandschuhe anzieht, bricht die Welt zusammen." Die Feststellung im Kollegenkreis laute: "Die Brutalität gegen die Polizei nimmt immer mehr zu".

Dabei habe man in den Einheiten viel dafür getan, das negative Image der Berliner Polizei als Schlägertruppe loszuwerden. "Es hat einen Mentalitätswechsel gegeben". Früher sei es bei schwierigen Einsätzen um "Lagebereinigung" gegangen. Da habe bei den Einheiten das Denken regiert: "Wenn die Politik nicht durchgreift, tun wir das." Heute sei oberste Prämisse: professionell arbeiten, beweissichere Festnahmen durchführen.

Auf keinen Fall dürfe toleriert werden, dass Vorgesetzte Untergebene zu unnötiger Härte auffordern, wie es bei dem Zug in der Direktion 4 geschehen sein soll, betont der Beamte. "So etwas wäre kriminell." Auch zur Anschaffung von Quarzsandhandschuhen dürfe kein Beamter von einem Polizeiführer gezwungen werden. Das sei in der Regel aber auch nicht der Fall. "Dazu war diese Art von Handschuhen in den Einheiten zu sehr verbreitet."

Nachdem der Vorfall in der Direktion 4 bekannt geworden ist, hatte Polizeipräsident Glietsch die Anweisung erteilt, Quarzsandhandschuhe in den Dienstgruppen zum Thema zu machen. Kontrollen seien nicht angeordnet worden, sagt ein Polizeisprecher. Fündig werde man jetzt ohnehin nicht mehr, meint der Beamte. "Wer sich jetzt noch damit erwischen lässt, ist ein Vollidiot."

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