Neuer Berlinpass für Hartz-IV-Empfänger: Fußball für Arme

Mit dem "Berlinpass" kommen Hartz-IV-Empfänger ab Januar billiger zu Sportveranstaltungen. Rabatte in Kultur und Nahverkehr werden erleichtert. Jeder fünfte Berliner kann davon profitieren.

Er soll so etwas wie die Eintrittskarte zum gesellschaftlichen Leben sein: Am 1. Januar führt der Senat den "Berlinpass" ein. Arbeitslose und andere Bedürftige bekommen mit dem neuen Ausweis vergünstigte Tickets nicht nur im Nahverkehr, sondern auch bei Kultur- und Sportveranstaltungen. "Mit dem Berlinpass werden bestehende Vergünstigungen gebündelt, neue kommen hinzu", sagte Karin Rietz, Pressereferentin in der Senatsverwaltung für Soziales.

Jeder fünfte Berliner könnte von dem Ausweis profitieren. Berechtigt sind nicht nur Hartz-IV-Empfänger und ihre Familien, sondern auch Bezieher von Sozialhilfe und der Grundsicherung im Alter. Asylbewerber können den Berlinpass ebenfalls beantragen. "Wir gehen von 700.000 Anspruchsberechtigten aus", sagte Rietz.

Hertha BSC hatte nach einem Anruf der taz schon im Frühjahr angekündigt, Passinhaber billiger ins Stadion lassen zu wollen. Nun planen weitere Sportvereine, sich an der Aktion zu beteiligen. Hartz-IV-Empfänger können sich auf günstige Tickets bei Handballspielen der Füchse freuen, sagte Rietz. Auch der 1. FC Union habe Interesse angemeldet. Die Sozialverwaltung hofft, weitere Unterstützer in der freien Wirtschaft zu gewinnen. Rietz sagte: "Wir rufen private Unternehmen auf, beim Berlinpass mitzumachen."

Bereits jetzt erhalten Arbeitslose ein verbilligtes Monatsticket im Nahverkehr. Seit 2005 können sie zudem für drei Euro ins Theater und in die Oper gehen. Einige Häuser reservieren dafür ein spezielles Kontingent, andere stellen Restkarten zur Verfügung. Bei den Bäderbetrieben gibt es für Hartz-IV-Empfänger ebenfalls Ermäßigungen.

Um all das in Anspruch zu nehmen, muss man in Zukunft nicht mehr die Bescheinungen über das Arbeitslosengeld II oder Ähnliches vorlegen. Der Berlinpass reicht als Nachweis aus. Die Pässe im Scheckkartenformat sind schon gedruckt. Man erhält sie nach Angaben des Senats bei allen Bürgerämtern.

Arbeitslosenvertreter sehen die Einführung des Ausweises mit gemischten Gefühlen. "Viele Arbeitslose können auch die 33,50 Euro für das verbilligte Monatsticket der BVG nicht bezahlen. Deshalb kommen sie zu den Veranstaltungen gar nicht hin", bemängelt Marion Drögsler, Vorsitzende des Arbeitslosenverbands Deutschland. Sicher würden einige Sportfans das Angebot nutzen, aber die müssten sich das Geld für die ermäßigten Eintrittskarten "vom Mund absparen".

Frank Steger, Chef vom Berliner Arbeitslosenzentrum BALZ, bewertet den Berlinpass positiver. "Grundsätzlich finden wir einen solchen Ausweis gut." Es sei auch richtig, das Papier "Berlinpass" und nicht "Sozialpass" zu nennen. "Das wäre wieder stigmatisierend."

Kritisch sieht Steger jedoch, dass der Senat mit dem Pass Vergünstigungen privater Unternehmen einsammelt. "Bedürftigen unter die Arme zu greifen ist eigentlich eine öffentliche Aufgabe." Der Pass geht ihm zudem nicht weit genug. Für arme Kinder gebe es vielerorts keine gesonderten Ermäßigungen, sagte Steger. "Die Preise beispielsweise in Schwimmbädern sind für viele arme Familien zu teuer. Wenn man gesellschaftliche Teilhabe ernst meint, muss man das ändern."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.