Anti-Nazi-Aktion: "Klar, die Aktion ist provokant"

Bei der Aktion "Service-Wüste für Nazis" sollen Geschäftsleute nichts an Nazis verkaufen, erklärt Mitinitiatorin Canan Bayram. Assoziationen zur Judenverfolgung der Nazis seien durchaus gewollt.

taz: Frau Bayram, woran erkennt man heutzutage einen Nazi?

Canan Bayram: Eine schwierige Frage. Viele Nazis tragen ja nicht immer offensichtliche Kleidung wie Bomberjacke und Springerstiefel. Gerade in Berlin geht der Trend unter Nazis dahin, das Outfit der Autonomen zu übernehmen. Ein Nazi kann nicht nur an Äußerlichkeiten erkannt werden. Eher erkennt man ihn daran, was er tut oder sagt. Es gibt aber auch bestimmte Symbole, nach denen man Ausschau halten kann. Zum Beispiel Kleidung der Marke Thor Steinar.

Wo in Friedrichshain sind besonders viele Nazis unterwegs?

Wenn man über die Biermeile läuft, findet man sie schon. Ich war neulich beim Thailänder in der Rigaer Straße, und da kam auch einer mit Thor-Steinar-Sachen rein.

Wie haben Sie reagiert?

Ich hab den Wirt daraufhin angesprochen, und der hat die Sache geregelt.

Und den Thor-Steinar-Träger aus der Kneipe verwiesen?

Er hat ihm deutlich die Grenze aufgezeigt und ihm nichts zu essen verkauft.

Wie sollten Gewerbetreibende generell reagieren, wenn Nazis in ihre Geschäfte kommen?

Sie sollten die Leute auf deren Haltung ansprechen. Dann entwickelt sich hoffentlich ein Gespräch, bei dem der Nazi über sein Verhalten reflektiert. Im Idealfall wäre es aber so, dass der Ladenbesitzer deutlich macht, dass sein Angebot nicht für jeden gilt.

Genau dazu verteilt Ihre Initiative Aufkleber für Ladenfenster, auf denen steht "Für Nazis keine Happy Hour". Können solche Aufkleber nicht auch falsche Assoziationen wecken, etwa an Schilder aus dem Dritten Reich, mit denen Juden der Einlass in Geschäfte verwehrt wurde?

Selbst wenn diese Assoziation so entstehen sollte, dann ist das ja in der Absicht gewollt. Es soll ja der Eindruck entstehen, dass die Menschen und ihre Haltung unerwünscht sind. Im Unterschied zum Dritten Reich gehen wir natürlich davon aus, dass ein Nazi seine Haltung ablegen kann. Bei den Juden ging es ja um deren Herkunft. Klar, die Aktion ist provokant - aber wir brauchen ein klares Signal. Außerdem ist es ja eine Umkehrung der Verhältnisse von damals - nun wird der ausgrenzt, der damals ausgegrenzt hat.

In Friedrichshain hat es laut Statistiken der Opferberatung Reach Out in diesem Jahr 26 rassistisch motivierte Übergriffe gegeben. Das ist mehr als in irgendeinem anderen Stadtteil Berlins. Warum gerade Friedrichshain?

Nachforschungen haben ergeben, dass viele der Straftaten von sogenannten Freizeitnazis begangen werden. Die kommen speziell in das eigentlich linke Friedrichshain angereist und starten, meist alkoholisiert, Angriffe auf Linke, Schwule, Lesben und Migranten. Manche halten sich in bestimmten Läden auf, wie zum Beispiel dem "Jeton" in der Frankfurter Allee. Es gab auch eine Zeit lang in der Vogtstraße eine rechte Kneipe, im letzten Jahr wurde das "Ambrosius" von vielen Rechten besucht.

Also gibt es einfach eine zu gute Infrastruktur für Rechte im Kiez?

Es machen immer wieder Läden auf, die Nazis anziehen. Aber bis auf das Jeton haben sich viele entweder von den Nazis distanziert oder wurden geschlossen. Jetzt gerade hat ja das Ring Center einem Laden, der Thor-Steinar-Sachen verkauft hat, gekündigt.

Ihre Initiative richtet sich gezielt an Gewerbetreibende. Welche Bedeutung haben Kneipen- und Ladenbesitzer bei der Arbeit gegen Nazis?

Für uns tragen sie mit an einer gesellschaftlichen Verantwortung. Sie können dazu beitragen, dass sich Migranten hier wohler fühlen. Außerdem gibt es auch viele Ladenbesitzer, die selbst einen Migrationshintergrund haben - und für die ist es wichtig, dass sie hier ohne Gefahr ihr Geschäft betreiben können.

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