Bedenken wegen Datenschutz: Patientendaten bald auch online

Der Softwareriese Microsoft will eine deutschsprachige Version seines US-Programms "Health Vault" auf den Markt bringen und Krankendaten erfassen.

Was im Sprechzimmer passiert, könnte bald im Internet stehen. Bild: ap

Wer kennt noch den Namen des Antibiotikums, das er vor fünf Jahren schluckte? Und wie, um Himmels willen, soll man dem neuen Arzt erklären, was das Ergebnis der jüngsten Blutuntersuchung war? Wenige Bürger überblicken ihre Patientendaten. Mal wechselt der Wohnort, dann der Haus- oder Facharzt oder das Medikament. In den USA werben Google und Microsoft bereits seit Monaten für Programme, die persönliche Patientendaten im Internet speichern und mit medizinischen Informationen verständlicher machen. Der Softwarehersteller Microsoft erwägt bereits, sein Produkt in Deutschland einzuführen. Dagegen erheben Datenschützer, Kassen und Ärzte Bedenken. Sensible Patientendaten könnten zur Ware werden und in die falschen Hände geraten.

Bereits seit Oktober 2007 bietet Microsoft sein Programm "Health Vault" in den USA an. Auf den ersten Blick ähnelt es einem Mailkonto mit vielen Extrafunktionen. Nutzer der englischsprachigen Version können dort Informationen über ihren Gesundheitszustand und Medikationen speichern, Arzttermine vereinbaren und alternative Diagnosen einholen. Auch Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte können dort ihre Befunde über den Patienten ablegen - sofern dieser dem zustimmt. Dazu gibt es Werbung für Medikamente und Therapien. Für den Nutzer ist das kostenlos.

Microsoft prüft nun eine deutschsprachige Version von "Health Vault". "Wir haben durchaus Interesse am deutschen Markt", sagt Sprecher Thomas Baumgärtner der taz. "Derzeit sprechen wir mit Krankenkassen und Kliniken und prüfen, wie wir das Programm den deutschen Datenschutzrichtlinien und Sozialgesetzen anpassen können." Wann der "Gesundheitstresor" an den Start geht, ist noch unklar.

Die Konkurrenz gibt sich zurückhaltend. "Wir schauen uns die Entwicklung auf dem US-Markt an", sagt der Sprecher von Google Deutschland, Stefan Keuchel, der taz. "Eine Markteinführung hierzulande ist denkbar, aber wir haben noch keine Pläne." Seit vergangenem Mai bietet der weltgrößte Suchmaschinenbetreiber sein Programm "Google Health" auf dem US-amerikanischen Markt an. Das Angebot ist dem von Microsoft sehr ähnlich und ebenfalls kostenfrei. Mit einem Klick erhalten die Nutzer Informationen über ihr Medikament, mögliche Wechselwirkungen oder Ärzte in ihrer Nähe. Kliniken und Ärzte fügen ihre Befunde der elektronischen Patientenakte laufend hinzu. Zugang zu den Daten erhält laut dem Konzern nur, wer über einen Nutzernamen und ein Passwort verfügt.

Google will durch das neue Angebot noch mehr Menschen auf seine Internetseite locken und so seine Marktführerschaft ausbauen. Microsoft hofft, dass Ärzte und seine Kunden möglichst viele Anwendungsprogramme des Konzerns miteinander verknüpfen - und daher nicht zur Konkurrenz abwandern.

Auf der englischsprachigen Internetseite von "Google Health" beteuert der Konzern: "Wir werden Ihre Daten niemals verkaufen. Wir speichern Ihre Informationen sicher und vertraulich." Darauf will der Datenschutzbeauftragte des Bundes, Peter Schaar, lieber nicht vertrauen. Schaar befürchtet, Patienten könnten die kommerziellen Patientenakten im Internet verwechseln mit der elektronischen Gesundheitskarte. Diese soll nach langem Streit zum Jahreswechsel nach und nach bundesweit eingeführt werden. Alle 80 Millionen gesetzlich Versicherten in Deutschland erhalten dann im Tausch für ihre bisherige Chipkarte die "elektronische Gesundheitskarte", auf der ihre Patientendaten gespeichert sind. Die "eGK" unterliege den strengen Vorgaben des deutschen Rechts, argumentiert Schaar: "Selbst Strafverfolgungsbehörden dürfen die Daten bei Ärzten nicht beschlagnahmen." Die Karte funktioniert im Grunde wie ein Schlüssel: Nur wenn der Patient seine Karte vorlegt, per Geheimzahl freischaltet und der Arzt zugleich seinen ebenfalls neuen elektronischen Heilberufsausweis freischaltet, fließen die Informationen. Und selbst diese vergleichsweise magere Datensammlung ist heftig umstritten.

Auch die Krankenversicherer vertrauen den Konzernbeteuerungen nicht. "Aus unserer Sicht sind die Angebote von Microsoft und Google bestenfalls eine Ergänzung, aber keine Alternative zur Gesundheitskarte", sagt Ann Marini vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen. Die Gesundheitskarte werde all jenen Informationen zur Verfügung stellen, die für einen Patienten wichtig sind: Ärzte, Kliniken, Kassen und den Versicherten selbst. Die kommerziellen Krankenakten im Internet hingegen seien zu wenig aufeinander abgestimmt. Obendrein sei fraglich, ob die Daten dort wirklich sicher sind.

Bereits im März warnte der Internetexperte der Bundesärztekammer, Franz-Joseph Bartmann, diese Informationen gehörten nicht in die Hände "unbefugter Dritter, die in Betracht ziehen, daraus ein Geschäft zu machen".

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