Pisa-Studie: Sechs, setzen!

Bei der neuen Pisa-Studie schneiden Bremen und Hamburg besonders schlecht ab - sowohl beim Lesen, als auch in Mathe und in den Naturwissenschaften. Verantwortlich dafür werden die "Schüler mit Migrationshintergrund" gemacht.

Wenn sich die norddeutschen Schüler ganz doll anstrengen, wird das schon noch eines Tages. Bild: DPA

Renate Jürgens-Pieper, die bremische SPD-Bildungssenatorin, findet die Pisa-Ergebnisse "erfreulich". Das verwundert, schließlich nimmt Bremen auch in der dritten Auflage des Tests den letzten Platz im umstrittenen Ländervergleich ein. Und zwar in allen drei, jeweils bei den 15-jährigen SchülerInnen getesteten Bereichen - dem Lesen, der Mathematik, den Naturwissenschaften. Nur Hamburg schneidet fast genauso schlecht ab.

Doch während in Hamburg seit der letzte Pisa-Studie von 2003 "kaum Fortschritte" zu verzeichnen sind, wie auch der dortige Senat zugeben muss, reklamiert Bremen für sich, "zunehmend den Anschluss an die anderen Bundesländer" gefunden zu haben - eine Schlussfolgerung, die auch Olaf Köller teilt, der Direktor des Berliner "Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen". Köller weist darauf hin, dass 2000 der Abstand Bremens zum Spitzenreiter noch deutlich größer war als bei den jetzt ausgewerteten Daten von 2006. Seit der ersten Erhebung - als Hamburg die Teilnahme an der Studie noch verweigerte - haben sich die Bremer um 24 Punkte bei den Naturwissenschaften, beim Lesen und in Mathe sogar um 26 Punkte verbessert. 30 Punkte entsprechen dem Lernfortschritt von einem Schuljahr.

Vor Bremen und Hamburg, aber auch noch ziemlich weit unten platziert sich in der neuen Pisa-Studie Niedersachsen. Das Land belegt den drittschlechtesten Platz in Mathe und den viertschlechtesten in Lesen und Naturwissenschaften. CDU-Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann bezeichnete das Abschneiden als Erfolg, weil es Verbesserungen gegenüber der letzten Studie gegeben habe. Nur waren die bei den anderen Ländern größer, was Heister-Neumann verschweigt.

Der Fall Niedersachsen zeigt auch, dass das von Bremen und Hamburg bemühte Argument der "Schüler mit Migrationshintergrund" nicht zieht. In Bremen oder Hamburg ist der Anteil dieser Schüler höher als in Niedersachsen. Dort aber ist er niedriger als in Berlin. Und das liegt zwei beziehungsweise vier Plätze vor Niedersachsen - etwa gleichauf mit Schleswig-Holstein. TAZ

Zugleich liegen Bremen und Hamburg bei den Naturwissenschaften sowie in Mathe unter dem Durchschnitt der OECD-Staaten, bei Mathe trifft dies auch auf Niedersachsen und Schleswig-Holstein zu. In Bremen zeigen sogar als "hochkompetent" eingestufte Jugendliche oft wenig Interesse an Physik oder Chemie.

Von offizieller Seite begründet wird das schlechte Abschneiden sowohl in Hamburg als auch in Bremen nicht zuletzt mit der hohen Zahl an SchülerInnen mit Migrationshintergrund. In beiden Stadtstaaten liegt die Quote bei bis zu 40 Prozent, in Sachsen - dem Sieger des neuesten Pisa-Vergleichs - nur bei 3,1 Prozent. An die Migrantenkinder "kommt unser Schulsystem in den vergangenen Jahren viel schlechter ran", sagte Bildungsforscher Klaus Klemm gestern. Ballungszentren hätten es da schwerer als Flächenstaaten. Hamburgs Schulbehörde rechnete gestern sogar vor, das Hamburg bundesweit hervorragend dasteht - wenn man sich auf die Jugendlichen ohne Migrationshintergrund beschränkt.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) dagegen hat den Lehrermangel als Schuldigen ausgemacht. Zwischen 1999 und 2005 seien in Bremen bei gleich bleibender SchülerInnenzahl mehr als zehn Prozent der Stellen abgebaut worden. Tatsächlich kommen in Hamburgs und Bremens öffentlichen Schulen auf jeden Lehrer und jede Lehrerin etwa 15 SchülerInnen. Das sind drei Schüler mehr pro Lehrer als in Sachsen - aber einer weniger als in Bayern, das in alln drei Testkategorien auf Platz zwei liegt. Bei den Klassenstärken gibt es jeweils kaum Unterschiede.

Sicher ist, dass die Koppelung zwischen sozialer Herkunft und schulischen Leistungen immer noch sehr hoch ist. In Bremen entspricht sie dem Bundesdurchschnitt, in Hamburg und Berlin liegt sie sogar darüber. Fast jedes dritte Kind in Bremen lebt in Armut, mehr als jedes vierte lebt mit Eltern zusammen, die keine Arbeit und keine Berufsausbildung haben.

In Bremen und Hamburg ist laut dem Bildungsbericht des Bundes gut jedes zehnte Kind unter 18 von Armut, elterlicher Arbeitslosigkeit und Bildungsferne zugleich betroffen. In Bayern oder Sachsen sind es keine zwei Prozent.

Bremen habe "schlechtere Ausgangsbedingungen" als Sachsen, sagt OECD-Koordinator Andreas Schleicher. Entscheidend seien allerdings "die großen Qualitätsunterschiede zwischen den Schulen". Die aber misst Pisa nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.