Kommentar Hessen-SPD: Wechsel ohne Wechsel

Der neue Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel hat zwar keinerlei Führungserfahrung, schlägt sich aber ziemlich gut. Unsinn ist seine Nominierung trotzdem.

Die Sozialdemokraten in Hessen fordern Roland Koch mit einem Unbekannten heraus. Der Mann verfügt bisher über keinerlei bekannte Führungserfahrung, und es muss schon als Erfolg gelten, dass er die ersten Interviews halbwegs über die Runden gebracht hat. Thorsten Schäfer-Gümbel hält für seine Partei den Kopf hin, obwohl er sich selbst für überfordert halten muss. Dafür hat er nicht Hohn, sondern Respekt verdient - aber Unsinn ist seine Nominierung trotzdem.

Eine Spitzenkandidatur sollte eigentlich etwas sehr Klares sein: eine Information an die Wähler, welche Person im Falle einer erfolgreichen Wahl die Macht ausüben soll. Da Andrea Ypsilanti den Neuen als Spitzenkandidaten einsetzt, aber Landesvorsitzende bleibt, verfolgt ihn schon jetzt der Ruf, nur ihr Strohmann zu sein. Wieso tritt sie nicht ganz an oder ganz ab? Weshalb wird er nicht Parteichef? Wie würden sich die zwei die Macht aufteilen? Mit so viel Unübersichtlichkeit werden die Sozialdemokraten kein Vertrauen zurückgewinnen. Eher wird das Engagement Ypsilantis als eines mit halber Kraft erscheinen und am Ende vielleicht nicht einmal mehr linke SPD-Wähler mobilisieren. Rot-Grün-Rot-Gegner werden ohnehin zu CDU oder FDP abwandern. Und noch im Januar von ihr als Person begeisterte Grünen-Wähler dürften sich auch abwenden. Kochs CDU hingegen wird gegen Ypsilanti mobilisieren - egal ob sie Spitzenkandidatin ist oder nicht.

Allein diese Aussichten sind nicht das Schlimmste für die SPD. Sie hat auch noch die Chance verpasst, eine neue Führungsfigur zu berufen, die zu integrieren und die fiebernde Partei ein wenig abzukühlen vermag. Dazu bräuchte es eine Person mit Distanz. Jemand, der nicht wie Schäfer-Gümbel zu den Vertrauten Ypsilantis zählt, der aber auch nichts mit den drei Abweichlern zu tun hat, die sie reingelegt haben. Nur eine solche Person könnte vermitteln, dass CDU und Linke auch nur Parteien sind, dass Hessen nur ein Bundesland ist und Wiesbaden nicht der Schauplatz des Dritten Weltkriegs. Das wäre eigentlich mal nötig gewesen.

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