Sparpläne der Essener Verlagsgruppe: WAZ wird Pampe

Durch das neue Mantelkonzept verlieren die NRW-Zeitungen der Essener Verlagsgruppe ihre redaktionelle Autonomie - und zahlreiche Mitarbeiter.

Die ärgsten Befürchtungen haben sich bestätigt: Bei Titeln der WAZ-Gruppe wird gespart. Bild: dpa

Nun ist es endlich raus. Die Chefs der WAZ-Mediengruppe haben ihr sogenanntes Mantelkonzept vorgelegt, jenes Papier, mit dem sie die NRW-Zeitungen des Verlags komplett umkrempeln wollen. Und das Papier, mit dem sie sich von der alten Linie des Hauses radikal verabschieden.

Verfasst wurde das Konzept von den Chefredakteuren der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ), der Westfälischen Rundschau (WR) und der Neuen Ruhr/Rhein Zeitung (NRZ). Außen vor ist nur die Westfalenpost (WP), die sich als "Heimatzeitung für Südwestfalen" neu ausrichten soll - und so als einziger Titel relative Autonomie bewahrt.

Die anderen trifft der Umbau deutlich. Die klassischen Ressorts werden aufgelöst, stattdessen "Newsdesks" installiert, die wiederum von einem zentralen "Content-Desk" beliefert werden. Der bietet Geschichten an zu Innen- und Außenpolitik, Wirtschaft, Sport, Kultur, Vermischtem - kurz: zu allem. Bestimmen, was in ihr Blatt kommt, sollen aber weiter die Chefredakteure.

Die ärgsten Befürchtungen haben sich damit bestätigt: Schon im Frühjahr berichtete die taz, dass die Beerdigung des "WAZ-Modells" bevorsteht: Drei Jahrzehnte lang sicherte das Konstrukt den Zeitungen Eigenständigkeit zu. Lediglich das verlegerische Geschäft wurde nach dem Zukauf der anderen Titel in den Siebzigern in der Zentrale gebündelt. Nun wird Essen auch redaktionell zur Schaltstelle.

Die WAZ-Chefs beteuern, die Blätter könnten ihre Eigenständigkeit bewahren: auf der Titelseite, bei der Fotoauswahl, in Kommentaren oder Überschriften. Eineiige Drillinge werden die WAZ-Töchter also nicht - aber sie werden sich sehr ähneln. So wird künftig immer häufiger ein Artikel in allen drei Zeitungen stehen. Das habe man bei den Olympischen Spielen bereits erprobt, sagt WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz. Kein Leser habe sich darüber beklagt.

Reitz, unlängst in die Geschäftsführung der WAZ-Gruppe berufen, glaubt, mit dem neuen Modell werde die Qualität der kleineren Titel zunehmen "und Online wird der Gewinner sein". Ein Verlierer des Umbaus steht dagegen so gut wie fest: die Deutsche Presseagentur (dpa). Zwar wird noch verhandelt, doch Reitz sagt: "Wer auf Autoren setzt, die unverwechselbare Inhalte schaffen, kann auf dpa verzichten."

Aber auch auf Autoren wird die WAZ verzichten. 30 Millionen Euro will der Konzern sparen. Es heißt, dass mindestens ein Viertel der Mantelredakteure gehen muss, Freie und Pauschalisten nicht mitgerechnet; ganz zu schweigen vom Lokalen: Welche Redaktionen geschlossen oder verschmolzen werden, ist noch unklar. Im Dezember sollen Einzelheiten veröffentlicht werden.

Der Deutsche Journalisten Verband (DJV) bezweifelt, dass die Lage der WAZ so düster ist wie vermeldet. Dass Verlage etwas tun müssten in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten, sei klar. Konkrete Zahlen aus Essen fehlten aber bisher, sagt Kajo Döhring, DJV-Geschäftsführer NRW. Und wittert eine Taktik der WAZ-Führung nach dem Motto: "Ich sage dem Patienten erst mal, dass er todkrank ist, damit er sich nachher freut, dass ihm nur ein Arm amputiert wurde."

Klare Worte, die in Essen ebenso klar dementiert werden. Derweil geht der Konzern in die Offensive, betreibt ein Weblog, in dem der Wandel offen dokumentiert werden soll, und das sogar kritische Seiten verlinkt, etwa das WAZ-Protestblog der Gewerkschaften. Und noch etwas verlautet aus dem Verlag: Während die Stammtitel notoperiert werden, steht angeblich die Geburt eines neuen Printprodukts ins Haus. Start soll im Frühjahr sein. Mehr ist dazu noch nicht zu erfahren.

Morgen findet in Essen eine Mitarbeiterversammlung statt. Ob die Geschäftsführung dabei sein wird, ist fraglich. Sie findet den Termin ungünstig, da das endgültige Konzept erst im Dezember vorliege; derzeit lasse sich deshalb nicht viel sagen.

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