Cannabis-Therapie: Eltern helfen beim Kampf gegen das Kiffen

Die Studie eines Berliner Projektes ergibt: Eine Therapie gegen Cannabis-Sucht unter Jugendlichen ist erfolgreicher, wenn man die Familie mit einbezieht. Etwa 4.000 Berliner befinden sich derzeit in ambulanter Behandlung.

Cannabissüchtigen Jugendlichen wird mit einer Familientherapie besser geholfen als in einer Einzeltherapie. Zu diesem Ergebnis kommt der Zwischenbericht des Projekts Incant. In dessen Rahmen wird seit eineinhalb Jahren im Schöneberger Therapieladen die "Multidimensionale Familientherapie" erprobt: Da bekommen nicht nur die abhängigen Jugendlichen selbst Unterstützung - auch den Eltern wird geholfen, ihr Erziehungsverhalten zu verbessern. Selbst Lehrer, Betreuer und Ärzte können mit einbezogen werden. Nach einem halben Jahr kiffen die Jugendlichen deutlich seltener als die aus der Vergleichsgruppe in Einzeltherapie. In den USA wird die Methode bereits angewandt.

Etwa 20.000 Berlinerinnen und Berliner konsumieren fast täglich Cannabis, so der diesjährige Bericht zur Drogen- und Suchtsituation in Berlin, den die Senatsverwaltung für Gesundheit von Senatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) veröffentlicht hat. Seit ein paar Jahren bleibt dieser Wert konstant, dennoch verschärft sich die Problematik: "Uns geht es nicht um die Gelegenheitskiffer", sagt die Berliner Drogenbeauftragte Christiane Köhler-Azara. "Der Dreizehnjährige, der morgens schon einen Joint braucht, der macht uns Sorgen." Probleme in der Schule seien für starke Kiffer vorprogrammiert, denn es falle ihnen schwer, sich zu motivieren und sich länger zu konzentrieren. Etwa 4.000 Menschen befinden sich deshalb in Berlin in ambulanter Cannabis-Behandlung.

Der 15-jährige Mirko ist einer von ihnen. Er kifft regelmäßig, seit er zwölf ist - bis zu 2 Gramm am Tag. Als er in die Therapie aufgenommen wurde, hatte er seit 14 Tagen nicht gekifft und befand er sich in einer schweren akuten Depression, berichtet Andreas Gantner, der als Psychologe im Therapieladen arbeitet. Solche extremen Entzugserscheinungen seien noch nicht einmal ungewöhnlich. Diese wirkten sich auch körperlich aus, etwa in Form von Schlafstörungen und Nervosität. "Manche halten sich selbst ohne die Droge kaum aus", sagt Gantner.

Im Rahmen der Incant-Studie wird im Therapieladen seit eineinhalb Jahren ein Teil der jugendlichen Abhängigen in die Familientherapie aufgenommen, ein anderer Teil als Vergleichsgruppe in die auch vorher schon angewandte Jugendpsychotherapie. In der Familientherapie stellt zunächst jedes Mitglied seine Sicht der Probleme dar, anschließend bestimmen sie zusammen mit dem Therapeuten, was verändert werden muss, damit ein "cleanes" Leben möglich ist. "Die Eltern sind oft sehr hilflos", sagt Gantner. Im Einzelgespräch, aber auch gemeinsam mit ihrem Kind lernen sie den Umgang mit der Sucht und entwickeln Regeln für ihr Zusammenleben. Die Jugendlichen selbst sind oft nur auf Druck ihrer Eltern, manchmal auch als gerichtliche Auflage im Incant-Programm. "Die müssen wir natürlich auf einer anderen Ebene ansprechen", sagt Gantner. "Uns ist klar, dass die Jugendlichen viel Stress am Hals haben, deswegen fragen wir sie: Wie können wir dir helfen?"

Bei den bisher rund 50 therapierten Familien zeigt sich nach einem halben Jahr der Erfolg: Zu Beginn kifften die Jugendlichen noch knapp 20 Tage im Monat, ein halbes Jahr später waren es im Durchschnitt nur noch etwas mehr als 6 Tage. In der Vergleichsgruppe sank die Anzahl dagegen nur auf gut 13 Tage. Ziel sei natürlich, die Suchtproblematik zu stoppen, so Gantner. "Wir sind aber auch schon froh, wenn wir sie verringern können."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.