Urteil aus Köln: Gericht enttarnt Scheingewerkschaft

Laut Urteil ist die Postgewerkschaft GNBZ nicht tariffähig. Damit bestätigt es einen Verdacht der Gewerkschaft Ver.di: Die GNBZ sollte den Post-Mindestlohn aushebeln.

ver.di hatte die GNBZ schon lange unter Verdacht. Bild: dpa

KÖLN taz Das Arbeitsgericht liegt in Sichtweite des Kölner Südstadions. Wehmütig erinnern sich die Älteren an jene legendären Tage, als in der mittlerweile stark renovierungsbedürftigen Fußballarena noch Fortuna Köln vom Aufstieg in die Bundesliga träumte. Heute fristet der Verein sein kärgliches Dasein in den Niederungen des Amateurfußballs. Auch die „Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste“ (GNBZ) hatte ganz oben mitspielen wollen: in einer Liga mit der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Jetzt geht es um den Abstieg. An diesem Donnerstagmorgen muss die GNBZ vor Gericht beweisen, dass sie wirklich eine tariffähige Gewerkschaft ist - was nicht nur Ver.di vehement bezweifelt.

Vom GNBZ-Vorstand lässt sich niemand blicken. Dabei hätten sie es nicht weit gehabt: Die „Geschäftsstelle“ der Vereinigung befindet sich nur wenige Hundert Meter vom Gericht entfernt. Alleingelassen von seiner Mandantin sitzt Helmut Thiess nun im Saal 109 und ist nicht in der Lage, auch nur die einfachsten Fragen der Vorsitzenden Richterin Sabine Poeche zu beantworten: Wie viele Mitglieder hat die GNBZ? Nein, dass könne er „hier und heute nicht“ sagen. Wie auch? Erst zwei Tage vor Beginn der Verhandlung wurde der Hamburger Rechtsanwalt von der GNBZ mandatiert.

Was auch immer Thiess bewogen haben mag, ausgerechnet diesen Auftrag anzunehmen: Seine Aussichten auf einen erfolgreichen Prozessverlauf sind wie das Wetter - mehr als trübe. Nicht einmal über die Höhe der über Mitgliedsbeiträge erzielten Einnahmen kann er Angaben machen. Nach Hochrechnungen von Ver.di könnten sie bei 15.000 Euro liegen. Das sei bereits „im oberen Bereich angesetzt“, so Ver.di-Vertreter Stephan Teuscher. Andere Schätzungen liegen noch wesentlich darunter. Wie auch immer: Zur Finanzierung der Organisation hätten die Mitgliedsbeiträge der GNBZ nie und nimmer ausgereicht, zu keinem Zeitpunkt. Aber das war auch gar nicht nötig, schließlich gab es insbesondere in der Gründungsphase ja mehr als großzügige Gönner.

Bereits seit dem offiziellen Start der dubiosen Konkurrenz im September 2007 hegte Ver.di den schweren Verdacht, dass es sich bei der GNBZ um eine „arbeitgeberseitig gesteuerte Organisation“ handelt. Deren Aufgabe: den Postmindestlohn zu unterlaufen. Die rund einstündige Verhandlung liefert weitere Beweise: Erstmalig gelangt die bislang sorgsam gehütete Satzung der GNBZ an die Öffentlichkeit. Die lässt nicht nur Fragen nach dem demokratischen Aufbau der Organisation aufkommen. Vor allem bietet sie unter dem Punkt „Aufgaben und Ziele“ eine äußerst aufschlussreiche Formulierung: Ein wesentliches Ziel der Organisation sei „die Mitwirkung am Wohl der privaten Brief- und Zeitungszustellunternehmen“. Für eine Arbeitnehmervertretung eine mehr als eigenartige Bestimmung, wie nicht nur DGB-Anwalt Friedrich Schindele findet: „Eine Gewerkschaft hat die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten, und sonst gar nichts.“ Wie auch das ebenfalls mit einem Rechtsvertreter anwesende Bundesministerium für Arbeit und Soziales unterstützt der DGB die Ver.di-Klage gegen die GNBZ.

Zwei Stunden hat das Gericht als Verhandlungsdauer angesetzt. Doch die Abwesenheit von GNBZ-Vertretern und die Unwissenheit ihres Anwalts beschleunigt die Beratung. Um 10.25 Uhr verkündet Richterin Poeche den Beschluss der Kammer: Bei der „Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste“ handelt es sich nicht um eine tariffähige Gewerkschaft. Denn dazu fehlten „einige Voraussetzungen“. Poeche: „Wir können nicht erkennen, dass die GNBZ gegnerunabhängig ist.“ Nicht nur die Satzung sei problematisch. So habe es sowohl „personelle Verflechtungen“ mit als auch „erhebliche Zuwendungen“ von der Arbeitgeberseite gegeben, es fehle ihr also offenkundig an der notwendigen Unabhängigkeit. Damit gibt das Gericht in vollem Umfang dem Antrag von Ver.di statt.

Auch im Dezember 2007, als die GNBZ ihre Tarifverträge mit dem Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste (AGV-NBZ) und dem Bundesverband der Kurier-, Express- und Postdienste (BdKEP) abgeschlossen hatte, sei sie nicht tariffähig gewesen, befindet das Gericht. Dies wäre jedoch Voraussetzung für den Abschluss eines wirksamen Tarifvertrags gewesen. "Wir hoffen, dass der Spuk jetzt ein Ende hat“, kommentiert Ver.di-Mann Teuscher erfreut den Prozessausgang. Gegen das Urteil kann allerdings noch Berufung eingelegt werden. (Az.: 14 BV 324/08)

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