Bowling für die Entbindungsstation

NACHGEMACHT „Willkommen in der Bretagne“ von Marie-Castille Mention-Schaar verbindet ein Erfolgsrezept mit der mit der wahren Geschichte um den Widerstand einer Kleinstadt gegen die Schließung einer Abteilung ihres Krankenhauses

VON WILFRIED HIPPEN

Der deutsche Verleihtitel macht deutlich, welches Modell hier variiert wird. „Willkommen bei den Sch’tis“ war einer der erfolgreichsten französischen Filme der letzten Jahre. Inzwischen gibt es schon ein italienisches Remake, das es unter dem Titel „Willkommen im Süden“ auch in die deutschen Kinos schaffte.

Nun ist es also Catherine aus Paris, die eine neue Arbeitsstelle in einer Kleinstadt in der Bretagne bekommen hat und sich zuerst mit den Menschen dort schwertut. Catherine Frot ist hier nach „Die Köchin und der Präsident“ wieder in der Rolle einer souveränen, sehr französisch bürgerlichen Protagonistin zu sehen.

Gleich in einer der ersten Szenen begeht sie den Fauxpas, den Namen ihres neuen Wohnortes falsch auszusprechen (das x in Carhaix bleibt stumm), und dass sie als die neue Personalmanagerin eines Krankenhauses dessen Abteilungen auf ihre Rentabilität abklopfen soll, macht sie bei den dort angestellten Schwestern auch nicht beliebter. Bei ihrer Vorstellung erzählt sie vor versammelter Mannschaft einen Witz über die Bretonen, über den diese natürlich überhaupt nicht lachen können.

Als weltläufige Pariserin blickt sie deutlich spürbar auf diese provinzielle kleine Welt herab, und die Bretonen lassen sie deutlich spüren, dass sie zuerst alles andere als willkommen ist. Soweit, so vorhersehbar – mit dem kleinen Unterschied, dass diese kleinen Scharmützel fast ausschließlich unter Frauen ausgetragen werden.

Die verschworene Gemeinschaft der Einheimischen, deren Respekt und Sympathie sich der Neuankömmling erst einmal verdienen muss, ist hier eine Gruppe von Schwestern des Krankenhauses, die zusammen ein Bowlingteam bilden, das bei Turnieren antritt.

Der Originaltitel „Bowling“ lässt ahnen, dass diese Sportart hier eine große Rolle spielt, und tatsächlich hat man seit „The Big Lebowski“ nicht mehr so viele Balls, Pins, Strikes und Frames in einem Spielfilm vorgeführt bekommen. Nachdem sie es überwunden hat, ihre Füße in Sportschuhe zu stecken, die andere schon vor ihr benutzt haben, entwickelt Catherine schnell Talent und Ehrgeiz für den Sport, und bald fährt sie an den Wochenenden mit auf die Turniere, die sich als ideale Gelegenheiten für die Entwicklung von weiblicher Solidarität entpuppen.

Diese wird schließlich auf einer dritten Ebene der Erzählung auf die Probe gestellt, die den im Kino so beliebten Anspruch hat, auf „wahren Vorkommnissen“ zu basieren. Die Entbindungsstation des städtischen Krankenhauses soll geschlossen werden und die Schwestern organisieren eine Widerstandskampagne dagegen, in deren Verlauf schließlich das Rathaus belagert wird und scheinbar jeder Bürger der Stadt mit einem Transparent in der Hand auf die Straße geht. Catherine ist zwar nicht für die Schließung verantwortlich, gehört aber zum feindlichen Lager und gerät so zwischen die Fronten. Die zugleich komische und subversive Inszenierung der französischen Streikkultur ist es, die den Film ein wenig mehr als nur epigonal wirken lässt. Aber es fällt schon auf, bei wie vielen Vorbildern Mention-Schaar sich hier bedient. Nicht einmal Asterix fehlt dabei, denn die unterhaltsamste Bowling-Schwester ist die schwarze, sehr voluminöse und kräftige Firmine – eine selbstbewusste „Bretillaise“, also Bretonin aus den Antillen, die als der gutherzige Kraftprotz des Teams nicht nur zufällig an Obelix erinnert. Es gibt sogar eine Szene, bei der ihr ein für sie verbotener „Zaubertrank“ untergeschoben wird, was zu dem explosiven Wurf einer Bowlingkugel führt.

Bei diesem Loblied auf die weibliche und regionale Solidarität bemüht sich Mention-Schaar ein wenig zu sehr darum, zu gefallen. Wenn die Freundinnen etwa zu dem Discohit „It’s raining men“ ausgelassen auf der Bowlingbahn tanzen, wirkt das eher albern als amüsant, und wenn schließlich zum Finale eine Gebärende mit großem Hurra in einem Auto über die Ortsgrenze geschoben wird, muss man schon sehr von der angestrebten guten Laune des Films angesteckt worden sein, um dies komisch zu finden.