Vorm Verfassungsgericht: Wahlgeräte schrecken Wähler ab

Durch Wahlcomputer sinkt die Wahlbeteiligung, das ergibt eine neue Studie. Das Brandenburger Innenministerium sieht keinen Handlungsbedarf. Ende Oktober verhandelt Karlsruhe.

Elektronische Wahlgeräte: Das Bundesverfassungsgericht entscheidet über ihren Einsatz. Bild: dpa

Was für Atomkraft und Kernenergie gilt, gilt mittlerweile auch für Wahlen. Zumindest für solche, die nicht mit Papier und Stift stattfinden. Wer den Begriff des Wahlcomputers verwendet, will den Einsatz der Computer unbedingt verhindern.

Wer dagegen von einfacher und schneller Stimmenauszählung und problemloser Bedienbarkeit schwärmt, sagt Wahlgeräte. Einer, der Wahlcomputer sagt, ist Ulrich Wiesner.

Wiesner ist Physiker, Software-Spezialist und einer der Beschwerdeführer im Verfahren gegen den Einsatz der Nedap-Wahlcomputer bei der Bundestagswahl 2005. Das Verfahren läuft derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht.

Wiesner hat sich nach der Kommunalwahl in Brandenburg an den heimischen Computer gesetzt und gerechnet. In zehn Städten Gemeinden wurden Wahlcomputer eingesetzt. In neun von ihnen hat er die Wahlbeteiligung in der Gemeinde mit der des Wahlkreises verglichen.

Cottbus als Nummer Zehn ließ er aus, denn hier entspricht die Gemeinde genau dem Wahlkreis. Über 95.000 Stimmen wurden in den neun Gemeinden abgegeben - bei rund 234.000 Wahlberechtigten. Wiesners Ergebnis: Von neun Städten und Gemeinden, die Wahlcomputer einsetzten, zeigen sieben einen eindeutigen Trend.

In ihnen lag die Entwicklung der Wahlbeteiligung unter dem Durchschnitt des Wahlkreises. Das heißt nicht unbedingt, dass die Wahlbeteiligung in der Gemeinde gesunken ist, in einigen Fällen ist sie auch nur weniger stark gestiegen.

"Darauf gekommen, den Zusammenhang zwischen Wahlbeteiligung und Wahlbeteiligung zu untersuchen, bin ich erst durch die Landtagswahl in Hessen", sagt Wiesner. Damals mussten Wähler zum Teil bis zu 50 Minuten vor den Wahllokalen anstehen - es gab Probleme mit der Technik. "Ich habe mich gefragt, ob da nicht einige einfach umgekehrt sind."

In Hessen ist das Ergebnis noch deutlicher als in Brandenburg: Die Entwicklung der Wahlbeteiligung sämtlicher Gemeinden, die Wahlcomputer verwendeten, liegt hier unter dem Durchschnitt des Wahlkreises. Wiesner sieht daher durchaus eine Kausalität zwischen Wahlbeteiligung und -computern.

"Ich vermute, dass manche Menschen sich mit den Geräten einfach nicht wohl fühlen, vielleicht weil sie beim ersten Mal schlechte Erfahrungen gemacht haben." Er verweist auf die Nutzung von Fahrkartenautomaten. "Viele Leute nehmen lieber Wartezeiten am Schalter in Kauf, als dem Automaten zu vertrauen."

Das Brandenburgische Innenministerium tut sich mit einer Erklärung schwerer. Sprecher Geert Piorkowski nennt als mögliche Begründung eine stärkere Bindung von Parteien und Wählern auf dem Land, was zu einer höheren Wahlbeteiligung führen könne, als in städtisch geprägten Gebieten.

Darauf hingewiesen, dass die Analyse sich nicht auf die absolute Wahlbeteiligung, sondern den Trend der Gemeinde mit Wahlcomputer im Vergleich zum Trend des gesamten Wahlkreises bezieht, verweist Piokowski auf die geringe Zahlenbasis. "Belastbare Aussagen" ließen sich hier nicht treffen.

Eine eigene, detaillierte Analyse sei von Seiten den Ministeriums aber nicht geplant. Auch Wiesner hofft, keine Statistiken mehr basteln zu müssen. Denn am 28. Oktober verhandelt das Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Wahlcomputern bei der Bundestagswahl 2005.

Eine Entscheidung wird für Anfang nächsten Jahres erwartet. Er sei optimistisch, so Wiesner, dass das Gericht dem "Unsinn mit den Wahlcomputern" ein Ende mache.

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