Neues Frauenmagazin: Größenwahn mit Vibrator

Das Magazin Missy will die feministische Alternative zu herkömmlichen Frauenzeitschriften sein, hat aber leider keine Höhenflüge zu bieten. Unterhaltsam ist es allemal.

Die drei "Missy's": Sonja Eismann (links), Chris Köver, Stefanie Lohaus. Bild: vera tammen/missy magazine 2008

Eine "Anmaßung" sei ihr Heft, schreiben die Herausgeberinnen des neuen Magazins "Missy" im Editorial. Der Hamburger Neuzugang auf dem Zeitschriftenmarkt hat sich nichts Geringeres vorgenommen als die Revolutionierung der Frauenzeitschrift: Ein Magazin von und für Frauen (und Männer) will "Missy" sein. Jung, popkulturell und schick, mit feministischer Haltung.

Hinter "Missy" steckt die Sehnsucht nach einem intelligenten und gut gemachten Heft aus weiblichem Blickwinkel. Während es im angloamerikanischen Raum mit "Bust" oder "Nylon" bereits Vorbilder gibt, sieht es in Deutschland noch düster aus. Hierzulande betrachtet man die weibliche Leserschaft als Marketing-Zielgruppe, die mit einer affirmativ-klebrigen Soße aus Feelgood-Journalismus und Produktwerbung überschüttet wird. Musik- und Lifestyle-Magazine wiederum sind meist stark auf männliche Leser und/oder Autoren ausgerichtet.

Die popkulturell geschulten Herausgeberinnen um die Ex-Intro-Redakteurin Sonja Eismann geben sich weder mit klassischen "Frauenthemen" noch mit der Gender-Ecke zufrieden. Sie wollen den ganzen Spielplatz: Politik und Mode, Style und Sex, Feminismus und Coolness. Die Leserinnen, so das programmatische Anliegen, sollen das Heft mit dem Gefühl zuklappen können, dass sie "super sind, alles erreichen können und jetzt sofort damit anfangen müssen".

Feministische Höhenflüge hat die erste "Missy"-Nummer zwar nicht zu bieten. Auch das Magazin wird auf den knapp 100 ansprechend layouteten Seiten nicht neu erfunden: Natürlich gibt es auch hier die übliche Modestrecke. Und Künstlerinnen wie das lesbische Hiphop-Duo "Yo! Majesty!" oder die österreichische "Soap & Skin" werden auch in anderen Feuilletons gefeiert. Doch im Gegensatz zu anderen Magazinen sind hier Geschichten über kreative, politisch aktive oder sonstwie vorbildliche Frauen nicht Ausnahme, sondern Regel.

Der Charme von "Missy" liegt im Detail: Die Platten-, Buch- und Filmrezensionen befassen sich konsequent mit Produktionen weiblicher Künstlerinnen. Was man eher beiläufig bemerkt - bei der Fülle an täglich auf den Markt geworfenen Medienprodukten aller Sorten ist dies ein legitimer Fokus. Zwischen die Texte gestreut sind Praxis-Tipps zur Selbstermächtigung in guter feministischer Tradition: Eine DJ erklärt, wie man zwei Platten ineinander mixt, eine Kommunikationstrainerin, wie man sich im Gespräch nicht unterbrechen lässt. Sonja Eismanns Mutter berichtet im Interview vom Stöckelschuh-Terror der fünfziger Jahre. Und "Britta"-Sängerin Christiane Rösinger entlarvt das Stillen als Gleichberechtigungskiller.

Nicht immer schafft "Missy" freilich einen eigenen, souveränen Zugang. Der Versuch, Frauenzeitschriften-Klassiker wie Kochrezept und Dildo-Kauf durch Ironie "cooler" zu machen, wirkt recht verkrampft. Und Tipps fürs Selbernähen von ipod-Taschen könnte man auch in der "Brigitte" finden.

Froh macht aber, dass sich "Missy" nicht zu cool für einen Schuss "Emma" ist. Das zeigen Berichte über Genitalverstümmelung in Burkina Faso oder die verkannte Schriftstellerin Zelda Sayre Fitzgerald, Ehefrau des keineswegs verkannten F.Scott Fitzgerald.

Natürlich kann man "Missy" vorwerfen, etwas oberflächlich zu sein. Lange Texte, intellektuell Erhellendes oder gar einen Beitrag zur Feminismusdebatte sucht man vergebens. Das Heft begnügt sich lediglich damit, der Popkultur eine weibliche Brille aufzusetzen. Revolutionen löst man damit nicht aus. Für ein unterhaltsames Magazin, das auch Frauen gerne lesen, reicht es aber allemal. Angesichts der Zustände im Zeitschriftenregal gar keine schlechte Nachricht.

"Missy Magazine", vierteljährlich, ab Dienstag für 3,80 Euro am Kiosk. Verlag Missy Magazin GbR, Hamburg. Startauflage: 15.000.

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