Kommentar Rettungspaket: Der Kapitalismus besiegt den Staat

Das Volk soll zwar für Milliardensummen bürgen, aber welche Bank konkret profitiert, das soll nicht einmal das ganze Parlament erfahren dürfen.

Ob Commerzbank oder Deutsche Bank - sie werden jetzt behandelt wie Spione des Bundesnachrichtendienstes. Höchste Geheimhaltung! Das Volk soll zwar für Milliardensummen bürgen, aber welche Bank konkret profitiert, das soll nicht einmal das ganze Parlament erfahren dürfen.

Warum diese Scheu? Andere Länder sind da viel auskunftsfreudiger. In der Schweiz weiß man bis ins letzte Detail, wie die UBS gerettet wurde. In den USA ist genau bekannt, welchen Großbanken staatliches Eigenkapital aufgenötigt wurde. Und völlig transparent ist auch die Teilverstaatlichung in Großbritannien. Nur in Deutschland wird so getan, als wäre der geheiligte Standort bedroht, falls sich herausstellen sollte, dass auch Deutsche Bank oder Commerzbank nicht ohne Staatshilfe überleben können.

Diesen Imageschaden will man den Banken ersparen. Das ist genau der falsche Weg: Umfassende Geheimhaltung schützt letztlich jene schlecht geführten Banken, die bei der Risikovorsorge versagt haben - während die gesunden Institute um ihren Wettbewerbsvorteil gebracht werden.

Die Antwort der Regierung? Sie findet, dass man ihr vertrauen solle. Diese Idee ist aberwitzig, denn in einer Demokratie geht es nicht um Vertrauen, sondern um Kontrolle durch eine kritische Öffentlichkeit. Offenbar hat die Politik aus dem Finanzdebakel nicht viel gelernt. Denn erst die Schattenwirtschaft in den Bankbilanzen hat zu den Milliardenlöchern geführt. Auf diese Verschleierungstaktik bei den Kreditinstituten reagiert die Politik nun damit, dass sie ebenfalls undurchsichtig wird.

In ihrer Rhetorik inszeniert sich die Regierung derzeit gern als starker Staat. Da ist dann von den Vorschriften die Rede, die man den Banken auferlegen wolle. Tatsächlich handelt es sich jedoch nur um Kannbestimmungen. Zudem ist gar nicht zu sehen, wie sich die Politik in ihren Verhandlungen gegen die Banken durchsetzen soll, wenn der Druck der Öffentlichkeit und der Parlamentarier fehlt, die nun gezielt von jeder Information ausgeschlossen werden.

Auch unfassbar: Es ist nicht vorgesehen, dass sich die Banken an den Kosten beteiligen, wenn die Endabrechnung der Rettungsaktion in einigen Jahren aufgemacht wird. Offenbar hofft die Regierung noch immer, dass sowieso keine Kosten entstehen. Die Idee scheint zu sein: durchkommen durch Geheimhaltung. Das ist die Philosophie einer Pokerspielerin.

Die Banken sind in Deutschland mitnichten entmachtet, wie dieses seltsame Rettungspaket zeigt. Der Kapitalismus ist nicht am Ende, wie schon manche meinten - sondern er hat sich die Regierung zu eigen gemacht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.