Linke-Chef Lafontaine über Finanzmarkt: "Bundesregierung hat Krise verschärft"

Linke-Chef Lafontaine bemängelt das "unkoordinierte Vorgehen" der Bundesregierung in der Finanzkrise. Nötig seien EU-Lösungen - und ein Konjunkturprogramm.

"Was mich besorgt, ist das inkompetente Vorgehen der Bundesregierung. " Bild: dpa

taz: Herr Lafontaine, wären Sie im Moment gerne Finanzminister?

Oskar Lafontaine: Nein. In dieser Krise ist das wirklich kein beneidenswertes Amt.

Bedauern Sie kein bisschen, dass Sie 1999 als Finanzminister zurückgetreten sind?

Meine Absicht, das Spielcasino der Weltfinanzmärkte zu schließen stieß auf den heftigsten Widerstand von Clinton, Blair und Schröder.

Fühlen Sie heute bestätigt?

Was ich damals vertreten habe - Kontrolle des internationalen Kapitalverkehrs, Wechselkursstabilität, Austrocknung der Steueroasen - ist noch immer aktuell.

Wenn Sie heute Finanzminister wären, was würden Sie tun?

Wir brauchen eine europäische Wirtschaftsregierung, so wie es Jacques Delors fordert. Das unkoordinierte Vorgehen der Bundesregierung hat die Krise eher verschärft. Deshalb sind die gemeinsamen Zinssenkungen in Europa und den USA richtig, auch wenn sie in der EU deutlicher hätten ausfallen können.

In Deutschland haben viele Vorbehalte gegen EU-Lösungen. Sie fürchten, dass deutsche Steuerzahler für bankrotte Banken in Portugal zahlen müssen.

Dieser Eindruck kann entstehen. Aber nationale Voreingenommenheit bringt uns nicht weiter. Ein international vernetztes System ist nicht mit nationalen Alleingängern zu reparieren.

Das klingt sehr moderat. Warum so leise? Sie haben einen Ruf als Populist zu verlieren.

Was mich besorgt, ist das inkompetente Vorgehen der Bundesregierung. Wenn der Finanzminister sagt, er habe sich nicht vorstellen können, dass die Pleite einer isländischen Bank Auswirkungen in Deutschland hat, dann zeigt er, dass er der falsche Mann in dem Job ist. Wer die Vernetzung des internationalen Finanzsystem nicht kennt, sollte besser nicht Finanzminister sein. Dann hat er bei der Sanierung der Hypo Real Estate auch noch von "Abwicklung" geredet - ein grober handwerklicher Fehler bei der Rettung einer Bank.

Noch mal: Warum sind Sie so moderat? Viele Bürger sind sauer, dass der Staat den Banken Geld hinterherwirft.

Das Wichtigste ist, dass der Geldkreislauf intakt bleibt. Denn sonst leiden auch Rentner, Kleinbetriebe und sozial Bedürftige.

Und wie geht das? So wie in Großbritannien mit Teilverstaatlichung von Banken?

Derzeit sind der Staat und die Zentralbank die einzigen, die das Vertrauen wieder herstellen können. Deshalb sind Teilverstaatlichungen der richtige Weg.

Empfinden Sie Schadenfreude, wenn sogar US-Präsident Bush an eine Teilverstaatlichung von Banken denkt?

Nein, eher Genugtuung. Aber es ist ein Treppenwitz des Geschichte, dass in der Wall Street, der Hochburg des Kapitalismus, die Verstaatlichung der letzte Rettungsanker ist. Man darf das aber nicht mit Sozialismus verwechseln. Sozialismus ist nicht die Verstaatlichung bankrotter Banken, sondern eher die Organisation des Geldkreislaufs in öffentlicher Verantwortung. Wir können ja wirklich froh sein, dass wenigstens ein Teil der Kreditwirtschaft noch in öffentlicher Hand ist. Vor ein, zwei Jahren war ja die Linkspartei die einzige, die die Privatisierung der Sparkassen abgelehnt hat. Heute sehen wir mit Heiterkeit, wie die anderen die Sparkassen loben.

Sind Staatsbanken wirklich der Königsweg? Die Verluste der IKB und der Landesbanken zeigen was passiert, wenn der Staat sich als Banker betätigt.

Bitte, die IKB war eine Privatbank, bei der der BDI eine wesentliche Rolle gespielt hat. Die Landesbanken sind ins Trudeln geraten, weil Politiker wie Steinbrück, Milbradt und Huber ihnen erlaubt haben, wild zu spekulieren. Das zeigt, dass die Landesbanken sich auf ihre Aufgabe beschränken müssen - die Regionalwirtschaft zu fördern.

Also sollen die Landesbanken bleiben?

Natürlich. Fatalerweise will die Regierung eine Konzentration der Landesbanken. Offensichtlich hat man also dort gar nichts verstanden. So ein Mega-Institut hätte doch in noch größerem Stil spekuliert und wäre jetzt ein Sanierungsfall.

Trotz Zinssenkung und milliardenschweren Bankenrettungen sind die Börsen instabil, die Wirtschaftsaussichten schlecht. Was muss nun passieren?

Die Krise greift schon auf die Realwirtschaft über. Deshalb brauchen wir ein Konjunkturprogramm - also öffentliche Investionen in Infrastruktur und Bildung und Anhebung der Hartz-IV-Sätze und der Löhne. Das ist die Lehre aus der großen Depression 1929. Damals gab es einen Lohnsenkungswettlauf, mit katastrophalen Folgen.

Die Staatsschulden sind gigantisch, wie teuer die Bankenkrise noch wird, ist unklar. Ein Konjunkturprogramm würde den Haushalt überdehnen.

Die Stabilisierung der Banken nutzt nichts, wenn die Wirtschaft abschmiert.

FinanzministerSteinbrück hat einen Acht-Punkte-Plan vorgelegt. Manager sollen für Fehlentscheidungen gerade stehen. Leerverkäufe sollen verboten werden. Reicht das?

Keineswegs. Das sind auch olle Kamellen. Das wurde schon lange gefordert, passiert ist nichts. Das Wichtige fehlt: die Kontrolle des internationalen Kapitalverkehrs, Austrocknung der Steueroasen, Verbot von Hedgefonds. Und internationale Regeln für die Rating Agenturen und die Kapitalunterlegung von Bankgeschäften ...

... das will Steinbrück auch.

Immerhin.

Herr Lafontaine, was ist aktuell das Vordringliche?

Vertrauen wiederherzustellen.

Wie?

Es gibt nicht die eine Antwort. Wichtig wäre ein europäisches Konjunkturprogramm, forciert von Deutschland und Frankreich. Doch gerade jetzt stottert der deutsch-französische Motor.

INTERVIEW: STEFAN REINECKE

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