Nach dem Kaukasuskrieg: Lahme Hilfe für die Opfer

Das georgische Dorf Avnevi in Südossetien wurde von Osseten fast vollständig niedergebrannt. Derzeit traut sich von den georgischen Flüchtlingen kaum jemand zurück.

Nur zwei Häuser sind in dem georgischen Dorf Avnevi noch intakt. Bild: reuters

MOSKAU Die Ossetin Zalina Bestaewa und der ihr georgischer Eehemann Durmeschchan Sekturaschwili hatten Glück im Unglück. Sie leben in Avnevi, einem georgischen Dorf in Süd-Ossetien. Ihr Haus sei eins von zwei Häusern, die in dem Dorf nicht in Brand gesteckt wurden. Das berichtet Svetlana Gannuschkina von der russischen Menschenrechtsorganisation "Memorial", die mit einer Mitarbeiterin in der vergangenen Woche Nord- und Südossetien bereiste.

Bis zum Ausbruch des Krieges am 11. August hatten in Avnevi noch 400 Häuser gestanden. Kurz vor Ausbruch des georgisch-ossetischen Krieges hatten fast alle Dorfbewohner das Dorf verlassen. Nur Durmeschchan und ein anderes Paar waren geblieben. Er werde lieber in seinem Haus sterben, als mit seiner Frau, den Töchtern, Enkeln und Urenkeln nach Tbilisi fliehen, hatte er entschieden.

Am 11. August kamen Osseten, plünderten das Dorf, steckten die Häuser in Brand. Als sie sich dem Haus von Zalina und Durmeschchan näherten, stellten sich ossetische Frauen aus dem Nachbardorf schützend zwischen das Haus und die Angreifer und verhinderten, dass es angezündet wurde.

Zalina und Durmeschchan haben zwei Töchter. Ihr einziger Sohn wurde 1992 von georgischen Jugendlichen getötet, weil er sich geweigert hatte, in der georgischen Armee zu dienen.

Auch die Situation Zchinwali, der Hauptstadt Südossetiens, sei sehr bedrückend, so Gannuschkina. Circa 30 Prozent aller Häuser seien zerstört. Zwar hätten die Behörden den Betroffenen Unterstützung zugesagt. Doch diese Unterstützung sei bei weitem nicht ausreichend. Wer sein Haus vollständig verloren habe, erhalte umgerechnet rund 1500 Euro von den Behörden, alle Rentner eine einmalige Summe von 80 Euro, alle anderen umgerechnet 30 Euro. Es sei jedoch nicht klar, wann und wie die zugesagten Gelder ausgezahlt würden. Zudem habe man den Bewohnern versprochen, kostenlos Baumaterial zur Verfügung zu stellen.

Auch die Wirtschaft liegt danieder. So habe es im Hotel weder fließendes Wasser noch eine funktionierende Heizung gegeben. Besser sehe es mit der Stromversorgung aus. Über das georgische Netz telefonierten die Menschen mit ihren Mobiltelefonen, so Gannuschkina.

Die immer wieder genannte Zahl von 2000 Getöteten im Krieg zwischen Georgien und Süd-Ossetien hält Gannuschkina für unrealistisch. Bei ihren Besuchen in Konfliktgebieten in der ehemaligen Sowjetunion habe sie immer wieder festgestellt, dass häufig stark erhöhte Opferzahlen genannt würden.

Ein hoher Beamter der südossetischen Regierung habe ihr von 1600 Toten und 86 schwer Verletzten berichtet. Es sei nicht logisch, dass die Zahl der Verletzten um ein Mehrfaches unter der Zahl der Toten liege, so Gannuschkina. Es sei derzeit nicht möglich, die Zahl der Toten zu nennen. Die russische Staatsanwaltschaft habe am 5. September von 134 toten Zivilisten gesprochen, die ihr namentlich bekannt seien. Die Staatsanwaltschaft von Südossetien hatte erklärt, dass 276 Tote exhumiert und identifiziert worden seien.

Ob und wann die georgischen Flüchtlinge aus Südossetien wieder dorthin zurückkehren könnten, sei im Moment nicht klar. Zwar haben Südossetiens Offizielle allen Bewohnern Südossetiens, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, zugesichert, sie könnten ohne Befürchtungen zurückkehren. Derzeit sei eine Rückkehr von georgischen Flüchtlingen nach Süd-Ossetien jedoch nur in einzelnen Fällen möglich.

"Memorial" setzt sich nicht nur für die Einhaltung der Menschenrechte ein. So ist die Organisation auch am Aufbau eines Weiterbildungszentrums in Nordossetien beteiligt, das denjenigen, die durch selbstständige Arbeit ihren Lebensunterhalt finanzieren wollen, das notwendige Rüstzeug an die Hand gibt. In den Kursen werden ossetische und inguschische Teilnehmer aus Nordossetien in Buchhaltung und Planungsarbeit geschult. Geplant ist, künftig auch südossetische Teilnehmer in dem Zentrum aus- und weiterzubilden.

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