Chemikalienskandal in China: Milchpulver vergiftet Babys

In China sterben zwei Kinder, weil Pulver für Babymilch mit Melamin gestreckt war. Offenbar wurde von allen Seiten versucht, das Risiko zu vertuschen.

In Chinas Krankenhäusern drängen sich Eltern mit erkrankten Babys - viele von ihnen leiden an Nierensteinen. Bild: ap

PEKING taz Mit ihren Säuglingen auf dem Arm drängen sich besorgte Eltern in die Krankenhäuser Chinas: Zwei Babys sind gestorben, 1.253 andere erkrankt. Viele von ihnen leiden an Nierensteinen. Die kleinen Patienten wurden alle mit Babymilch aus Milchpulver der chinesischen Firma Sanlu gefüttert, das mit der Chemikalie Melamin versetzt war.

Die Pekinger Regierung hat einen Krisenstab gebildet. Über 8.000 Tonnen Sanlu-Milchpulver wurden aus den Geschäften zurückgerufen, rund 700 Tonnen sollen aber noch in den Regalen stehen. Die Firma musste die Produktion stoppen.

Melamin wird zur Herstellung von Klebstoff und Plastikwaren verwendet. Offenbar wurde es dem Milchpulver beigefügt, um einen höheren Proteingehalt vorzutäuschen. Sanlu ist der größte Hersteller von Milchpulver in China. Er gehört zu 43 Prozent dem neuseeländischen Unternehmen Fonterra.

19 Verdächtige sollen festgenommen worden sein. Die Pekinger Lebensmittelbehörde hat am Wochenende Kontrolleure in die Provinzen entsandt, um 175 Molkereien zu überprüfen. Sanlu beschuldigt Bauern, die Milch mit Wasser und Melamin gestreckt an die Sammelstellen geliefert zu haben. Es blieb aber eine Antwort schuldig, warum die Milch nicht überprüft wurde.

Für die Bevölkerung beweist der Skandal, dass die Kontrollsysteme nicht funktionieren. Auch diese Affäre wurde offenbar gezielt vertuscht, nachdem Eltern sich bereits im Frühjahr bei der Firma darüber beklagt hatten, dass ihre Kinder Blut im Urin hatten.

Jetzt werden Schuldige gesucht. Chinesische Rechtsanwälte haben den Opfern Gratisberatung angeboten. Neuseelands Premierministerin Helen Clark erklärte im Fernsehen, Fonterra habe seit Wochen vergeblich versucht, Sanlu und die örtlichen Behörden dazu zu bewegen, das verseuchte Milchpulver aus dem Handel zu nehmen und die Öffentlichkeit zu alarmieren. Unklar ist allerdings, warum die Neuseeländer nicht selbst die Initiative ergriffen.

Erst nachdem die neuseeländische Regierung Anfang September von dem Skandal erfahren und die Behörden in Peking informiert hatte, sei endlich etwas geschehen. "Ich glaube, die erste Reaktion war es, die Sache unter den Teppich zu kehren", klagte Clark. Schließlich zwang die Pekinger Zentralregierung die zuständige Provinz Hebei zum Handeln.

Empörte Chinesen fragen sich derzeit im Internet, ob die Heimlichtuerei mit den Olympischen Spielen zusammenhängt. Chinas Medien waren angewiesen worden, während der Wettkämpfe heikle Themen zu umschiffen, dazu zählten wohl auch Lebensmittelskandale.

Erst am 2. September hatte eine Verbrauchersendung des staatlichen Fernsehens den Zuschauern Sanlu-Produkte wegen ihrer "hohen Qualität" und "Sicherheit" empfohlen. Die Sanlu-Milch sei "1.100-mal überprüft" worden, hieß es.

Der aktuelle Skandal ist kein Einzelfall: Im Jahr 2004 starben in der Provinz Anhui 13 Kleinkinder. Damals enthielt die Milch - anders, als auf der Packung zu lesen war - keine lebenswichtigen Nährstoffe. Die Regierung versprach, die Kontrollen zu verschärfen. Jetzt kündigte sie an, die durch die Sanlu-Milch erkrankten Kinder würden kostenlos medizinisch behandelt, manche Hospitäler verlangen bislang trotzdem Geld für die Versorgung der Kinder.

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