Klima-Camp gegen Kraftwerkneubau: Jagdszenen in Moorburg

Demonstranten der Kampagne Gegenstrom08 gelingt es fast, die Baustelle des geplanten Kohlekraftwerks Moorburg zu besetzen. Die Polizei setzt Knüppel und Wasserwerfer ein.

Der Zaun der Kraftwerksbaustelle wird immer wieder Schauplatz von Scharmützeln zwischen Demonstranten und der Polizei. Bild: dpa

Am Nachmittag geht es plötzlich los: Während die Demo gegen das Kohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg mit rund 700 Teilnehmern das Gleisbett vor dem südlichen Bereich des Bauplatzes über eine Brücke passiert, tricksen AktivistInnen der Kampagne Gegenstrom08, die sich zuvor mit Farbe markiert zugeordnet haben, im nördlichen Bereich die Polizeisperren aus: Sie stürmen über die Gleise auf die Baustelle zu. Die Polizei setzt viele Wasserwerfer ein und schickt die berüchtigten BFE-Einheiten - sogenannte Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten - vor. Die Einheiten aus mehreren Bundesländern setzten Schlagstöcke ein. Mindestens 250 Aktivisten gelingt es, sehr nahe an den Bauzaun zu kommen. Da die Szenen auch die Teilnehmer der Kundgebung nicht ruhig lässt, schüchtert die Polizei zunächst ein und droht über Lautsprecher einen Wasserwerfereinsatz an.

Im nördlichen Bereich kommt es zu regelrechten Jagdszenen. Selbst auf liegende Protestler wird eingeknüppelt. Immer wieder setzten BFE-Beamte den Demonstranten bis ins unwegsame Dickicht nach, eine Beamtin erleidet einen Wadenbeinbruch. Während im Norden noch die Wasserwerferfontänen die Szene beherrschen, versuchen die Veranstalter eine geordnete Kundegebung durchzuführen. "Globale Erwärmung ist kein Betriebsunfall", gibt ein Sprecher das Statement des Klima-Camps wieder. Es genüge nicht mehr, "die Glühbirne auszutauschen".

Dann gelingt den Protestlern ein weiterer Coup. Plötzlich erklimmen Personen ein südlich gelegenes Spülfeld, den direkten Weg zum Kraftwerksgelände. Ein Wasserwerfer mit Begleitung rast zwar die Deichstraße hinunter, doch er kann nicht verhindern, das etwa 150 Leute den Zaun überwinden.

Obwohl Hamburgs Polizeisprecher Ralf Meyer in den ersten Fernsehinterviews bereits sagt, dass der Tag wohl gelaufen sei, geht es jetzt erst richtig zur Sache. Da der Polizeinachschub von Wasserwerfern in einer Menschenblockade der Kundgebung hängen bleibt, wird ohne Vorwarnung Wasser in die Menge gespritzt. Währenddessen tanzt immer wieder die Trommlerkapelle "Gegenstrom08" dazwischen, die sich im Klima-Camp zusammengefunden hat.

Polizeiführer Hartmut Dudde reagiert auf das Spektakel mit dem letzten Mittel. "Ihre Versammlung ist von der Polizei hiermit um 16.08 Uhr aufgelöst worden, weil es im Umfeld zu Straftaten gekommen ist und polizeiliche Maßnahmen behindert worden sind", tönt es aus einem schleswig-holsteinischen Wasserwerferfahrzeug. "Sie stehen nicht mehr unter dem Schutz des Versammlungsgesetzes." Parallel gelingt es einer Gruppe, über das benachbarte Spülfeld an den Bauzaun zu kommen. Doch wieder ist eine BFE-Einheit schnell im Anmarsch. Die 15 Protestierenden werden in Gewahrsam genommen.

Als sich die Polizei zur Auflösung der Demonstration rüstet, greift der innenpolitische Referent der Linkspartei, Bela Rogalla, ein. "Die Auflösung der Demonstration war rechtswidrig", wirft Rogalla dem Einsatzleiter vor Ort vor. Der antwortet, er könne die Maßnahme ja "gerichtlich überprüfen" lassen.

Trotzdem akzeptiert der Polizist die Anmeldung zur Spontandemo unter dem Motto "Gegen Polizeigewalt". Obwohl sich die Demo wenig später wegbewegt, verharrt noch eine Gruppe von 70 Leuten, in Planen gehüllt und durch Strohsäcke gestützt, auf der Kreuzung. "Planen wegreißen und weg mit denen!", gibt ein Einsatzleiter Order. Schließlich vertrauen die Einheiten auf technisches Gerät. Mit Wasserwerfern werden die Planen weggespült, um dann die Demonstranten ins Visier zu nehmen. Danach werden die Aktivisten von der Straße gefischt und getreu der Devise von CDU-Innensenator Christoph Ahlhaus, "Kein Pardon, keine Gefangenen machen", zum Heimweg gedrängt.

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