Digitale Lesegeräte Kindle und Co: Elektronische Tinte

Kopfschmerzen kann man schließlich auch beim Lesen herkömmlicher Bücher kriegen: Neue elektronische Lesegeräte werden langfristig die Buchbranche verändern.

Häßliches Design als größtes Manko: das Amazon-Produkt Kindle. Bild: reuters

Soeben eröffnete eine neue Filiale der Mayerschen Buchhandlung an der Düsseldorfer Kö und wartete mit einer Überraschung auf. Der iLiad, ein elektronisches Lesegerät, ist im Sortiment zu finden. Allerdings ist der iLiad mit rund 500 Euro sehr teuer, und die 50 vorab auf dem Gerät gespeicherten Bücher sind in englischer Sprache verfasst. Doch setzt die Mayersche, der drittgrößte Filialbuchhändler Deutschlands, damit ein deutliches Zeichen: Die elektronischen Lesegeräte werden den deutschen Buchmarkt empfindlich verändern. Das sogenannte E-Buch mag lange Zeit belächelt worden sein. Nun scheint es sich jedoch tatsächlich durchsetzen zu können.

Besser als das iLiad ist nach Meinung der Experten der Sony Reader, auch dies ein Lesegerät, das die Texte mit der sogenannten "elektronischen Tinte" anzeigt. Das heißt: Der Bildschirm wird nicht mehr von hinten angeleuchtet wie beim Computer oder beim Handy, stattdessen erscheint er als beschriebene Fläche. Mit einem solchen Lesegerät lässt sich ohne Schwierigkeiten in der prallen Sonne lesen. An dunklen Wintertagen dagegen muss man eine Lampe zur Hand haben, wie beim normalen Buch ja auch. Die Geräte sind leicht, sie haben die Größe eines größeren Taschenbuches, sie sind einfach zu bedienen, und die Batterieleistung reicht für tagelanges Lesen.

Der Sony Reader ist momentan nur in den USA lieferbar; diejenigen Mitmenschen, die ihn bereits privat importiert haben, schwärmen in höchsten Tönen. Man könne umfangreiche Texte endlich auch in den Zug oder an den Badesee mitnehmen und lesen, ohne Papierstapel schleppen zu müssen. Allerdings sind diese Reader ausschließlich Lesegeräte, man liest PDFs oder Word-Dokumente auf ihnen, kann Notizen eingeben oder "Eselsohren" machen; bearbeiten aber kann man die Texte nicht.

Das geht auch nicht mit dem faszinierendsten der neuen Lesegeräte, dem Kindle, das der Onlineriese Amazon in den USA für umgerechnet rund 250 Euro vertreibt. Der Kindle ist aufgemacht wie die beiden anderen Maschinen, hat darüber hinaus aber noch viele weitere Funktionen. Die Hässlichkeit, die sein weißes Gehäuse auszeichnet, scheint das einzige Manko des Gerätes zu sein.

Amazon hält sich bedeckt, wann das Gerät in Deutschland präsentiert wird. Die meisten Branchenbeobachter vermuten, dass es auf der kommenden Buchmesse in Frankfurt geschehen wird. Auch weiß man nichts Genaues über den bisherigen Absatz in den USA, die Schätzungen gehen von 200.000 bis hin zu einer halben Million verkauften Exemplaren.

Schon das aber, was man bei amazon.com über das Gerät erfahren kann, verheißt einiges. Der Kindle ist via Handytechnologie ständig mit Amazon verbunden, und das, was man auf ihm kostenlos findet, ist erstaunlich. So nämlich die Toptitel der internationalen Presse und eine Auswahl aus den Blogs, beides täglich upgedated. Dazu ständiger Zugang zu Wikipedia, wenn man beim Lesen eines Buches ein Lexikon zurate ziehen will. Das Oxford Dictionary ist vorinstalliert. Man kann jederzeit dort, wo ein Handy Empfang hat, neue Bücher herunterladen; zurzeit kosten Kindle-Versionen von Bestsellern weniger als die Hälfte dessen, was das gedruckte Buch kostet. Man kann vorab hineinlesen in einen Text. Wenn man das Buch erworben hat, ist eine Suchfunktion nutzbar. Stephen King, der sich anders als die Nobelpreisträgerin Toni Morrison nicht hat vor den Amazon-Werbekarren spannen lassen, zeigt sich angetan: "Kann der Kindle das Leseleben bereichern? Meine eigene Erfahrung - bislang beschränkt auf 1,5 Bücher - legt nahe, dass er das wird." Der Kunde ist allerdings voll und ganz an Amazon gebunden, der Kindle ist nicht in der Lage, andernorts Texte zu besorgen.

Die Frage, ob der Kindle in der Form beispiellos bleiben wird oder ob demnächst andere Reader aufschließen können, ist zweitrangig. Das Lesen auf Lesegeräten jedenfalls wird in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Daraus ergibt sich beinahe zwangsläufig die Frage, ob das traditionelle Buch bald ausgedient hat.

Doch das steht nicht zu befürchten. Sosehr man offenkundig daran arbeitet, die Lesegeräte gut handhabbar zu machen, wird dennoch das gute alte Buch daneben bestehen können. Häufige Nutzer von E-Readern berichten, dass man bei dieser Form der Textdarstellung zwar keine Kopfschmerzen bekomme, das Lesen aber dennoch nach einer Weile anstrengend sei. Auch kann man mit einer gepflegten Hausbibliothek besser Gäste beeindrucken - ein Lesegerät kann nicht so gut den Intellekt seines Nutzers abbilden, wie eine gut genutzte Bücherwand es tut. Für die Nutzerin von wissenschaftlichen Werken, für den Leser in der U-Bahn oder diejenige, die schnell beim Frühstück die zehn wichtigsten Zeitungen querlesen möchte, könnten diese Lesegeräte jedoch bald unverzichtbar werden. Und die Druckauflage von Büchern könnte aufgrund dieser Leseform bald kleiner werden; andererseits wird nun jedes Buch in seiner elektronischen Variante lieferbar bleiben, solange die rapide Zunahme der Datenmengen es zulässt - und solange Firmen wie Amazon, die ihre Geräte exklusiv mit ihrem Shop verknüpfen, dies wollen. Die Gefahr, dass diese Firmen bald Verlag, Buchhändler und Druckerei sind und damit die Leseware monopolisieren könnten, besteht.

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