Besuch auf dem Gemeinschaftsacker: Kommune Biohof

Geteilte Ernte, geteiltes Risiko: Gemeinschaftshöfe bieten Gemüse zum Pauschalpreis. Die Bauern macht das unabhängig von Krediten, die Kunden zufrieden - auch wenn im Winter keine Tomaten wachsen.

Bioladen der Zukunft: Birgit Albert (l.) und Ingelor Schwarz leben und arbeiten auf dem Acker des Landgut Lübnitz. Bild: Jost Maurin

LÜBNITZ taz Für Heidi Snel ist heute Einkaufstag. Doch sie hat keinen Cent dabei. Auch keine Einkaufsliste. Die 37 Jahre alte Filmemacherin hat sich noch nicht einmal Gedanken darüber gemacht, was sie eigentlich kaufen muss. Jetzt packt sie in einem Hofladen im brandenburgischen Dorf Lübnitz 90 Kilometer südwestlich von Berlin einfach das ein, was es gerade gibt: In einem Holzregal stehen Körbe voller Möhren, Zucchinis und anderer Gemüse. Snel nimmt sich so viel, wie sie braucht. Die Kasse des Ladens bleibt still.

Denn Heidi Snel ist nicht nur eine Kundin des Landguts Lübnitz, sie ist eines von 35 Mitgliedern im Verein, der den Hof betreibt. 90 Euro Beitrag kostet sie das im Monat. Dafür bekommen die Mitglieder zwei Mal in der Woche so viel Lebensmittel, wie der Hof produziert. Im Bioladen würden sie in etwa genau so viel bezahlen. Hier aber tragen sie das Risiko mit: Wenn die Ernte gut ist, bekommen sie mehr, wenn es schlecht läuft, weniger. Schon dadurch haben sie eine enge Beziehung zum Hof. Community Supported Agriculture (CSA) heißt dieses Konzept. Auf deutsch werden CSA-Betriebe oft Gemeinschaftshöfe genannt.

"Dieser Laden hier ist eine Steigerung zum normalen Bioladen, weil ich weiß, die Sachen kommen wirklich von hier, vom eigenen Land", sagt Snel. "Das, was ich esse, wird von Freunden produziert. Das finde ich einfach genial." Auch die Angst vor dem Klimawandel motiviert sie. Snel legt Wert darauf, dass ihre Lebensmittel nicht dreimal durch die Republik gekarrt werden, bevor sie auf ihrem Teller landen. "Wenn ich Sachen aus der Nachbarschaft esse, kann ich dazu beitragen, das zu reduzieren." Umstrittenen Rechnungen, wonach Produkte aus Großbetrieben oft eine bessere Klimabilanz aufweisen, misstraut sie.

Tatsächlich wächst Snels Gemüse keine 100 Meter vom Laden entfernt: auf drei Hektar Land eines 200 Jahre alten Gutshofs, den der Verein 2002 gekauft hat. Über ein Feld spannt sich ein Gewächshaus, in dem sich hunderte Tomatenpflanzen an Bindfäden gen Himmel ranken. Anders als in der Massenlandwirtschaft stehen die Pflanzen auf natürlicher Muttererde und nicht auf einem Nährstoffkissen.

Hier hat Birgit Albert heute morgen die Tomaten gepflückt, die Snel sich vorhin in ihre Gemüsekiste gepackt hat. Die 53-Jährige bestellt gemeinsam mit knapp zehn Mitstreitern die Äcker des Landguts und lebt auch auf dem Hof. Bei CSA, meint die gelernte Heilpraktikerin, übernähmen die Kunden Verantwortung. "Sie sagen dem Bauern: Ich gebe dir einen Vorschuss und ich sorge dafür, dass sich das Ding trägt." CSA-Teilnehmer verpflichten sich meist für ein halbes oder ein ganzes Jahr, die Ernte abzunehmen, auch wenn Aldi die Tomaten 50 Cent billiger verkauft. So ist das System für den Bauern sicherer als eine normale Handelsbeziehung. Auf Kredite kann er dank des Vorschusses der Kunden zumindest teilweise verzichten. Dennoch kann sich die Hofgemeinschaft Lübnitz - anders als etwa der Buschberghof bei Hamburg -nicht nur über die CSA-Beiträge finanzieren. Fast alle Helfer sind auch auf andere Einkommensquellen angewiesen.

Der größte Nachteil für den Verbraucher ist sicherlich die mangelnde Flexibilität. Nicht jeder geht so gut wie Snel damit um, dass die Ernte des Landgutes Lübnitz im Winter merklich dünner und eintöniger wird. "Ich finde es toll zu erfahren, dass hier im Dezember keine Tomaten wachsen", sagt die Filmemacherin. Auch für den Bauern ist CSA etwas anstrengender: Er muss viel mehr Zeit in den Kontakt mit den Kunden investieren.

Dennoch erlebt CSA zum Beispiel in den USA einen regelrechten Boom. Dort wirtschaften schätzungsweise 1.500 Höfe nach diesem Prinzip. In Deutschland gibt es bisher nur acht, die etwa 1100 Menschen ernähren. Dabei startete der erste Hof schon 1988. Warum entwickelt sich das Modell hier so langsam? "Die Notwendigkeit scheint für die Verbraucher nicht so groß zu sein", sagt Katharina Kraiß, die einzige deutsche Agrarwissenschaftlerin, die sich mit CSA beschäftigt hat. Ein Grund dafür könnte sein, dass es in anderen Staaten nicht so ein entwickeltes Abokisten-System gibt, über das viele Menschen in Deutschland ihr Gemüse direkt von einem Biobauern beziehen.

Aber sie glaubt, dass sich CSA auch in Deutschland stärker ausbreiten wird. "Bio wird ja teilweise immer konventioneller: Monokulturen, Äpfel aus Argentinien", findet Kraiß. Deshalb könnte die Sehnsucht nach einer festen Bindung zwischen Erzeuger und Verbraucher wachsen. Immer mehr Menschen - meint die Agrarwissenschaftlerin - wollten wissen, wo ihr Essen herkommt und einen Bezug zum Land haben. "Und genau das bietet CSA."

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