Drangsalierte Kassiererinnen: "Schikanen gibts in vielen Supermärkten"

Die Kündigung einer streikenden Kassiererin bei "Kaisers" sei kein Einzelfall, sagt die Soziologin Gisela Notz.

In Supemärkten sind die Arbeitsbedingungen nicht immer so ordentlich Bild: AP

taz: Frau Notz, weil die Kaiser's-Kassiererin "Emmely" angeblich Leergutbons im Wert von 1,30 Euro unterschlagen hat, wurde sie fristlos gekündigt. Ist das ein Einzelfall oder nur die Spitze des Eisbergs bei Supermärkten?

Gisela Notz: Leider gibt es ganz viele Emmelys, die Ähnliches erlebt haben. Das ist natürlich kein Trost für Emmely. Sie hat sich am Ver.di-Streik im Einzelhandel beteiligt, und das hat Kaisers ihr übel genommen.

Sie sehen einen politischen Grund für die Kündigung?

Emmely hat als einzige Beschäftigte in ihrer Filiale auch nach Einschüchterungen durch die Distriktmanagerin weitergestreikt. Daher hat die Geschäftsleitung ihr meiner Meinung nach die Sache mit den Pfandbons untergeschoben, um sie loszuwerden. Sie hatte ja eine feste Stelle, was im Einzelhandel ziemlich selten ist. Die meisten Verkäuferinnen arbeiten in prekären Beschäftigungsverhältnissen.

Wäre Emmely das auch passiert, wenn sie ein Mann wäre?

Solche Schikanen betreffen hauptsächlich Frauen, weil die Verkäuferinnen fast nur Frauen sind. Männer arbeiten in Lebensmittelläden höchstens als Filialleiter. Vielleicht wehren sie sich im Zweifelsfall auch eher. Frauen geben sich oft selber die Schuld und reden häufig nicht einmal mit ihren Kolleginnen über die Probleme. So entsteht keine Solidarität.

In den letzten Monaten standen ja vor allem die Arbeitsbedingungen bei Lidl in der öffentlichen Kritik. Werden die Verkäuferinnen bei Kaisers genauso schlecht behandelt?

Ich denke nicht, dass Kaisers seine Angestellten besser behandelt als Lidl. In den Lebensmittelketten wird fast überall schikaniert und überwacht, um möglichst viel aus den schlecht bezahlten Beschäftigten herauszuholen. Kaisers hat in vielen Berliner Filialen gerade seine Öffnungszeiten bis 24 Uhr ausgedehnt. Dadurch verschlechtern sich die Arbeitsverhältnisse der Verkäuferinnen massiv. Es werden immer mehr Minijobberinnen angestellt, die von ihrem Verdienst nicht leben können. Gleichzeitig werden tariflich abgesicherte Beschäftigungsformen abgebaut. Verteidigt werden die Minijobs mit dem Argument, die Frauen hätten einen "Haupternährer" zu Hause und bräuchten nur etwas Zuverdienst. Das stimmt aber oft nicht. Viele Frauen müssen Familien ernähren.

Gegen Lidl wurde ein Konsumboykott ausgerufen, im Fall der Kaisers-Kassiererin gibt es jetzt das Komitee "Solidarität für Emmely". Was können Einzelne gegen ungerechte Arbeitsbedingungen im Einzelhandel tun?

Emmely wurde von ihren Kolleginnen allein gelassen, nachdem die Distriktmanagerin die Streikenden unter Druck gesetzt hat. Gegen die miesen Arbeitsbedingungen im Einzelhandel kann man aber nur gemeinsam kämpfen. Deswegen finde ich die Gründung des Komitees "Solidarität für Emmely" so hervorragend. Im Komitee sind ganz unterschiedliche Leute: Gewerkschaftsmitglieder, Freunde Emmelys und Aktivisten aus den sozialen Bewegungen. Wir brauchen viel mehr solche Bündnisse. Ich werde mich selbst auch weiter an den Aktionen beteiligen und demonstrieren gehen.

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