Curtis-Mayfield-DVD: Tanzende Faust

Eine DVD wirft Schlaglichter auf die Karriere des Soulsängers Curtis Mayfield. Niemand verpackte wie er den schwelenden Rassenkonflikt in den USA in radiotauglichen Disko.

Im Alter trug Curtis Mayfield die gleiche Sonnenbrille wie Elizabeth Taylor. Bild: dpa

"In erster Linie bin ich Entertainer", antwortete Curtis Mayfield einmal, angesprochen auf seine, die sozialen Ungleichheiten zwischen Weißen und Schwarzen in den USA anprangernden Texte.

Natürlich weist die jüngst erschienene DVD " Movin On Up - The Music And Message Of Curtis Mayfield And The Impressions" manchmal etwas zu nachdrücklich auf die sozialpolitische Bedeutung der Songs des Soulsängers hin. Trotzdem spricht Mayfield mit diesem Zitat nur das Mantra all jener Musiker aus, die etwas zu sagen haben und sich dabei um die Relevanz ihres musikalischen Outputs sorgen; dem Folkie Bob Dylan erging es ähnlich, nur war dessen Verweigerungshaltung offensiver. Das aufzugreifen, was "in der Luft liegt" und zu Songs zu verarbeiten, dazu braucht es Mut und vor allem viel Talent.

Im besten Fall entstehen dabei Hymnen, die ein Anliegen begleiten und so greifbar machen, dass der Stammtisch nicht mitsingen kann. Curtis Mayfield ist das gleich mehrfach gelungen. Der Wohlklang, in den er seine Botschaften aufgehen ließ, ist unwiderstehlich. "Keep On Pushing", "Were A Winner", oder "Move On Up" sind Soulsongs, die den Afroamerikanern Ende der Sechzigerjahre Würde und Stolz gaben; die den Kampf um gesellschaftliche Gleichberechtigung untermalten und ihre politischen Forderungen verständlich formulierten. Man konnte zu seiner Musik gleichzeitig tanzen und die Faust recken. Mayfield war ein Meister darin, Ross und Reiter zu benennen, und zwar in einer lyrischen Qualität, der die ökonomische Verkürzung des radiotauglichen Formats Popsong nichts anhaben konnte.

Geboren wurde Curtis Mayfield 1942 im Ghetto der Southside von Chicago. Sein Sound ist untrennbar mit der "Windy City" Chicago verbunden. Jede amerikanische Metropole hatte ihren eigenen Soul-Sound. Chicago war fokussiert auf Curtis Mayfield, der einen sanften, swingenden Klang schuf. Seine echoenden Vokalharmonien, der herzerweichende Falsettgesang und das Gespür für die Dramaturgie von Hooklines waren noch dem Geist der Doo-Wop-Ära verpflichtet. Was das Geschäftliche angeht, wirkte Mayfield aber viel moderner. Lange, bevor "Black-owned-business" zur politischen Parole wurde, verlegte er seine Songs schon selbst und gründete mit Curtom Records auch sein eigenes Plattenlabel.

Zudem geht einer der besten Soundtracks aller Zeiten auf sein Konto: "Superfly" unterlegt einen billigen, für die Bahnhofskinos gedrehten Blaxploitation Actionreißer, der eigentlich alles unterwandert, wofür Curtis Mayfield stand: plumpes Machogehabe und jene "Survival of the Fittest"-Haltung, die ihm stets zuwider war. Es ist der Soundtrack, der den Film vor der B-Movie-Schublade bewahrt und ihn zu einem Klassiker gemacht hat. Ein Song wie "Freddies Dead" rettete mehr potenziellen Junkies das Leben als jede behördliche Aufklärungskampagne.

Ärgerlich nur, dass Chuck D, einer der Gastkommentatoren der DVD "Movin On Up", die alte, von der Nation Of Islam verbreitete Verschwörungstheorie aufwärmen darf, wonach die CIA für die Heroinschwemme in den amerikanischen Ghettos Anfang der 70er-Jahre verantwortlich war, um die revoltierenden Afroamerikaner zu domestizieren.

Sonst aber geben sich verlässliche Zeitzeugen die Klinke in die Hand: Andrew Young, Begleiter und Redenschreiber Martin Luther Kings, kommt zu Wort, ebenso wie Mayfields Bandkollegen bei den Impressions, Fred Cash und Sam Gooden. Der Produzent Johnny Pate steht Rede und Antwort und Mayfields Ehefrau Altheida transportiert die Relevanz eines der größten Soulsänger mit einfachen Sätzen ins Hier und Jetzt.

Viele interessante Anekdoten werfen ein Licht auf die Arbeitsweise Mayfields und fächern eine Karriere auf, die bis zu seinem Tod 1999 dauern sollte. Der wirkliche Wert der DVD aber liegt im zusammengetragenen Archivmaterial: So findet sich neben seltenen Interviews und Alltagsszenen etwa ein Livemitschnitt, der im Januar 1972 im "Beatclub" des deutschen Fernsehens ausgestrahlt wurde. Ungeheuer tight spielen sich Curtis Mayfield und seine vierköpfige Begleitband durch ihr Repertoire, quergeschnitten mit einem Interview, bei dem zwei Zottel politische Fragen in Ziegenpeterenglisch stellen. Dazu werden akademische Zitate zur sozialen Bedeutung des Blues eingeblendet und Mayfields Texte sind im astreinen Jugendsprech der frühen 70er deutsch untertitelt.

"Movin On Up" ist die gelungene Hommage an einen der größten Soulmusiker aller Zeiten. Allein die halbe Stunde deutsches Fernsehen ist ein Zeitdokument, das dem Bildungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten für die heutige Zeit ein vernichtendes Zeugnis ausstellt. LARS BULNHEIM

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