Krise des Aufbau-Verlags: Kampf um den Platz im Regal

Dass ein Verleger das Handtuch wirft, mag ein Einzelfall sein. Trotzdem sind die Probleme des Aufbau-Verlags symptomatisch für den Buchmarkt.

"Böses Ende eines vermeintlichen Nach-Wendemärchens": Aufbau Verlag Bild: dpa

Im Grunde sind es zwei große Erzählungen, für die das Krisenszenario, das sich in den vergangenen Wochen rund um den Aufbau-Verlag abgespielt hat, beispielhaft ist. Die eine Erzählung handelt vom Ende der ostdeutschen Verlage nach der Vereinigung von Ost- und Westdeutschland. Die Privatisierung der Buch- und Zeitschriftenverlage der ehemaligen DDR durch die Treuhandanstalt, die Anfang der Neunzigerjahre oft fahrlässig und ohne genügend Personal durchgeführt wurde, hat kaum ein Verlag unbeschadet überstanden.

Einzige Ausnahme, so schien es lange Zeit: der Aufbau-Verlag. Den kaufte 1991 ein Frankfurter Immobilieninvestor, steckte in den folgenden Jahren immer wieder Geld hinein und ließ derweil seinen Lektoren und Geschäftsführern bei der Programmplanung weitgehend freie Hand. Das könnte wie ein kleines Nachwende-Märchen klingen, wäre es nicht Ende Mai auf ziemlich unschöne Art und Weise zu Ende gegangen.

Das allerdings liegt nicht einfach daran, dass sich Investor Bernd F. Lunkewitz plötzlich vom Prinzen zum Frosch gewandelt hat, der keine Lust mehr auf ein Verlegerdasein und keine Lust mehr dazu hat, sein Geld in ein wenig lukratives Geschäft zu stecken. Nach 17 Jahren bei Aufbau hat Lunkewitz das Handtuch geschmissen und - indes mehr kolportagehaft als märchengleich - über Nacht den Verlag verlassen und damit die Geschäftsführung gezwungen, umgehend Insolvenz anzumelden. Das sind vor allem die späten Nachbeben der fehlgeschlagenen Privatisierung der ostdeutschen Verlagslandschaft, der auch ein Verlag wie "Volk und Welt", immerhin der zweitgrößte belletristische Verlag der DDR, zum Opfer gefallen ist.

Im Falle des Aufbau-Verlags bestand der Fehler der Treuhand darin, dass sie ihn schlicht gar nicht hätte verkaufen dürfen, weil er kein staatseigener Betrieb, sondern im Besitz des Kulturbundes gewesen ist. Die komplizierte Rechtslage, die sich daraus ergab und über die Lunkewitz seit Jahren prozessiert hat, ist in den letzten Wochen immer wieder aufgedröselt und dargestellt worden.

Entscheidend war an diesen Verwicklungen vor allem eins: das vorhersehbare Aufgerieben-Werden des Verlages, wenn sich zwischen dem ehemaligen Aufbau-Verleger Lunkewitz und dem vorläufigen Insolvenzverwalter Joachim Voigt-Salus, der derzeit für die Belange des Verlags verantwortlich ist, ein jahrelanger Rechtsstreit über die Eigentumsverhältnisse des Verlags entsponnen hätte. Kein Autor hätte auf Dauer mit so einer unsicheren Situation leben können. Kein neuer Investor hätte eine tickende Zeitbombe gekauft, bei der sich möglicherweise herausstellt, dass sich die erworbenen Autorenrechte und -lizenzen als Mogelpackungen erweisen und dass man zudem vom ehemaligen Verleger Lunkewitz mit horrenden Schadensersatzforderungen belegt wird.

Diese Gefahr ist abgewendet, seit sich am vergangenen Wochenende Joachim Voigt-Salus und Bernd F. Lunkewitz darauf geeinigt haben, den Verlag gemeinsam, einschließlich aller Rechte und einschließlich des Markennamens Aufbau, zu verkaufen. Es geht also weiter mit Aufbau. An ihrem vorläufigen Ende angekommen dagegen ist die Erzählung über die ostdeutsche Verlagslandschaft.

Gleichzeitig ist man an dieser Stelle längst mittendrin in der anderen, noch größeren Erzählung. Entwicklung des gesamtdeutschen Buchmarkts heißt sie und ist vor allem mit einem Schreckwort behaftet: Konzernisierung. Die Marginalisierung von kleineren und unabhängigen Verlagen ist die Kehrseite dieses Schreckwortes. Gemeint ist damit, dass der Buchmarkt in den letzten Jahren zunehmend durch drei große Medienkonzerne bestimmt wird: durch Holtzbrinck, zu dem unter anderen Rowohlt, S. Fischer und Kiepenheuer & Witsch gehören, die Bonnier Media Holding und schließlich durch Random House, das neben Luchterhand, DVA und Manesse mehr als 30 Verlage unter seinem Dach vereint.

Was Kritiker an dieser Entwicklung mit Sorge betrachten, sind einerseits die internen Folgen, die sich für einen Verlag aus der Übernahme durch einen Konzern ergeben. Denn der agiert natürlich vorderhand als Wirtschaftsunternehmen: Das heißt vor allem, dass Personalstrukturen optimiert - also Mitarbeiter entlassen - werden und der Renditedruck enorm steigt. Es gehe immer mehr um Verkaufszahlen als um Inhalte, schwere Stoffe könnten sich immer weniger durchsetzen.

Über alledem schwebt die düstere These von der Kulturindustrie, die alles mit Ähnlichkeit schlägt und möglichst nur noch marktkompatible Bücher mit marketingerprobten Covern produziert. Ob man diese Einschätzung mit Blick auf die konzerngebundenen Verlage derart pauschalisieren kann, darüber lässt sich streiten.

Unstrittig allerdings ist, dass sich, quasi als konjunkturelle Gegenbewegung, in den vergangenen Jahren eine sehr virile Szene junger Kleinverlage hat etablieren können, die als eine Art Kreativpool den Buchmarkt mit inhaltlichen und optischen Impulsen versorgt hat. Der Blumenbar-Verlag gehört dazu, kookbooks oder auch der Hörbuchverlag Supposé. Unübersehbar aber sind die praktischen Schwierigkeiten, mit denen sich diese jungen Verlage wie auch alle anderen konzernunabhängigen Verlage durch die Entwicklung des Buchmarkts konfrontiert sehen. Die entscheidende Rolle dabei spielen große Buchhandelsketten wie Thalia oder Hugendubel, die parallel zu den Verlagskonzernen expandiert sind und die den Einzelbuchhandel immer mehr verdrängt haben. Hier die eigenen Bücher im Sortiment zu platzieren, ist für Verlage in der Größenordnung von Aufbau enorm schwierig geworden, für Kleinverlage ist es gar nicht erst möglich.

Das hat zur Folge, dass es für kleine und mittelgroße Verlage immer schwieriger wird, ihre Programme auf dem Markt durchzusetzen. Schaut man sich diese Entwicklung an - Konzernverlage als das eine Extrem, Kreativpool Kleinverlage als das andere -, dann bekommt man den Eindruck, dass den schwersten Stand in diesem Rennen die mittelgroßen Verlage haben. Verlage, wie Wagenbach oder wie Aufbau einer ist - noch.

Denn während die Kleinstverlage von Anfang an Strategien für die die schwierigen Bedingungen auf dem Markt entwickeln mussten, häufig als Ein- oder Zweimannbetriebe funktionieren und auf diese Weise unter Fragen wie Renditedruck mehr oder weniger wegtauchen können, haben mittelgroße Verlage ein strukturelles Problem. Hier ist der Druck auf das einzelne Buch genauso gestiegen, wie er das bei den konzerngebundenen Verlagen ist.

Gleichzeitig hat man es aber eben ungleich schwerer, seine Bücher in den großen Handelsketten in die Regale zu bringen. Hinzu kommt, dass man auch nicht aus dem anderen Vorteil schöpfen kann, den eine Konzernanbindung mit sich bringt: dass ein Programm, das sich nicht so gut verkauft, dadurch abgefedert ist, dass man mit einer großen Querfinanzierung wirtschaftet. Einen mittelgroßen Verlag kann ein schlechtes Programm nachhaltig ins Trudeln bringen. Das bedeutet natürlich wiederum für die inhaltliche Perspektive, dass man vergleichsweise wenig experimentier- und risikofreudig sein kann.

Bernd F. Lunkewitz scheint schon länger nicht mehr an das Modell mittelgroßer Verlag zu glauben. Zwar hat der Aufbau-Verlag schon vor mehr als zwei Jahren damit begonnen, inhaltliche und personelle Umstrukturierungen vorzunehmen, die den Stand auf dem Buchmarkt verbessern sollen. Das Programm wurde verschlankt, der Aufbau-Imprint Gustav Kiepenheuer deutlich populärer ausgerichtet. Zudem wurde mit Aufbau-Taschenbuch eine Säule ins Programm genommen, die als finanzielle Absicherung fungiert. Trotzdem wurde bereits Mitte 2007 darüber spekuliert, dass Lunkewitz in Verhandlungen mit Random House stehen könnte. Jüngst ließ er im Spiegel verlautbaren, dass seiner Überzeugung nach ein Verlag mit einem durchschnittlichen Umsatzvolumen von 15 Millionen Euro allein nicht überlebensfähig sei.

Das sieht man im Hause Aufbau naturgemäß anders. Die Bilanzen der vergangenen Jahre seien durchweg positiv. Deshalb hält man hier eine strategische Partnerschaft mit einem anderen Verlag oder aber einem Investor, der im Stile von Lunkewitz fungiert, für die bestmögliche Zukunftsvariante. Nicht nur würde der Mitarbeiterstab auf diese Weise beibehalten, auch könnte der inhaltliche Anspruch, den sich ein traditionsreicher Verlag wie Aufbau stellt, gewahrt bleiben.

Ein Gläubigerausschuss, dem neben dem Insolvenzverwalter je ein Vertreter der Bundesagentur für Arbeit, der Bank, der Autoren und der Belegschaft angehört, wird am Ende darüber entscheiden, welche Option sich durchsetzt: strategische Partnerschaft oder Randomisierung. Egal wie es ausgeht, der Fall Aufbau ist symptomatisch. Die Erzählung über das Ende der ostdeutschen Verlagslandschaft wird kaum in eine Verlängerung gehen. Die andere Erzählung über die Dauerkrise der unabhängigen Verlage in Zeiten von Konzernisierung und Buchhandelsketten aber sollte noch mal ganz grundsätzlich überdacht werden.

Überdacht werden vielleicht im Sinne neuer Formen der Literaturförderung, die sich neben der Autoren- auch als Verlagsförderung verstehen könnte. Warum sollte nicht die Kulturpolitik auf den Plan treten und beispielsweise Regalplätze in Buchhandelsketten subventionieren, die dann kleineren Verlagen zufallen würden? Für die unmittelbare Zukunft von Aufbau spielen solche Überlegungen keine Rolle mehr. Bis Anfang September, wenn das Insolvenzverfahren offiziell eröffnet wird, soll ein neuer Käufer gefunden sein.

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