Bäume statt Plattenbauten: Die Schorfheide in Berlin-Marzahn

Nach dem Abriss eines Plattenbaus holen sich Bewohner ein Stück Brandenburg nach Marzahn.

Ist die Platte erst mal weg, öffnet sich eine neue Sicht auf die Umgebung Bild: AP

Auch in Berlin hat es sich eingebürgert, das Wort vom "Stadtumbau- Ost" als einen Euphemismus für den Abriss, zumindest aber den teilweisen Rückbau von Plattenbauten zu verwenden. Dass Stadtumbau auch zu spannenden Freiraumgestaltungen führen kann, zeigt sich nun im Schorfheideviertel in Marzahn.

Nachdem in der Schorfheidestraße im Marzahner Nordwesten ein elfgeschossiges Haus abgerissen wurde, griff die Degewo, Berlins größte Wohnungsbaugesellschaft, zu einem ungewöhnlichen Verfahren. Zusammen mit Anwohnern und Fachleuten sollte binnen kürzester Zeit ein überzeugendes Konzept für die durch den Abriss entstandenen Freiflächen aus dem Boden gestampft werden. "Charette" nennt sich dieses Hauruckinstrument der Bürgerbeteiligung im Planerdeutsch, doch die Bewohner ließen sich nicht abschrecken. Mehr als 300 von ihnen halfen mit und zeigten, dass Bürgerbeteiligung auch Spaß machen kann. Vor allem dann, wenn sie sich nicht über Monate hinzieht, sondern nach fünf Tagen zu Ende ist - den Wein am Abend inbegriffen.

Um die Freifläche neu zu gestalten, griffen die Anwohner auf den Namen ihrer Straße zurück. Warum nicht die Schorfheide, jene hügelige Waldlandschaft rund 30 Kilometer nördlich von Berlin, in die Stadt holen? Also begann man die Erde zu bewegen, schüttete Hügel auf, pflanzte nicht mehr ganz so junge Kiefern, setzte Gräser. Wie eine finnische Waldsiedlung wirkt das Schorfheideviertel nun. Und alle freuen sich, voran Degewo-Chef Frank Bielka. "In diesem Maßstab sind in Berlin noch nie Anwohnerideen umgesetzt worden."

Dabei waren dem Vorhaben enge Grenzen gesetzt. Ganze 325.000 Euro standen dem Projekt aus Mitteln des Stadtumbauprogramms zur Verfügung - weitaus weniger als bei der ersten Freiflächengestaltung im Schorfheideviertel im Rahmen des Hofbegrünungsprogramms in den 90er-Jahren. Doch die Anwohnerbeteiligung versetzt nicht nur Berge und Hügel im Kostenrahmen. Sie schüttet auch Parkplätze zu. "60 Stellplätze wurden zur Landschaft", freut sich Landschaftsarchitektin Gabriele Pütz vom Büro "Gruppe F", das die Planung begleitet hat. "Und alles auf Wunsch der Bewohner."

Mit dem Schorfheideviertel hat die Degewo bereits ihr zweites ambitioniertes Stadtumbauprojekt in Angriff genommen. 2004 wurden die "Ahrensfelder Terrassen" fertiggestellt. Durch teilweisen Abriss und Umbau von 1.670 Wohnungen wurde aus dem Plattenbauviertel an der Grenze zum brandenburgischen Ahrensfelde ein attraktives Stadtquartier mit 409 Miet- und 38 Eigentumswohnungen. Vor allem die abgetreppten Geschosse mit ihren Dachterrassen verliehen dem Quartier den Charakter einer Ferienanlage - und das mitten in dem mit großen sozialen Problemen behafteten Quartiersmanagementgebiet Marzahn-Nordwest.

Aber auch im Schorfheideviertel gleich um die Ecke soll es noch etwas Besonderes geben. "Im nächsten Bauabschnitt setzen wir Multifunktionsboxen auf die Wiese", sagt Gabriele Pütz. "Die können die Anwohner als Garage nutzen, als Werkstatt oder als Raum zum Feiern."

Damit die "Mu-Fu-Boxen" nicht an die verschwundenen Parkplätze erinnern, werden sie, so Pütz, "auf der Fläche des nächsten Abrisskandidaten verstreut wie Schafe auf der Wiese: Alle mit dem Po zum Wind und in gleichem Abstand voneinander." Zumindest das ist Degewo-Chef Bielka dann doch eine Bemerkung wert. "Es werden nur so viele Boxen gebaut, wie sie Anwohner auch mieten oder kaufen wollen", schränkt er ein.

Gabriele Pütz aber ist optimistisch. "Die Idee kam von den Bewohnern", sagt sie. "Die wollen nicht nur Ruhe, sondern die neuen Flächen auch nutzen."

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