Schlammschlacht im NRW-Umweltministerium: Krebserregend

Korruption und mehr hat man Ex-Abteilungsleiter Harald Friedrich vorgeworfen. Nun entlarven die Ermittlungen die Vorwürfe als haltlos. Gab es politische Motive?

Kann man sich damit bestechen lassen? Bild: ap

Korruption, Betrug, Untreue: Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Wuppertal reichten für einen Haftbefehl. Harald Friedrich, ehemaliger Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium, ging für 22 Tage in Untersuchungshaft. 270 Beamte durchsuchten bundesweit Wohn-, Instituts- und Geschäftsräume von 12 weiteren Tatverdächtigen.

Das Trinkwasser aus der Ruhr enthält perfluorierte Tenside (PFT), die vermutlich Krebs erregen. Auch wenn dies seit 2006 bekannt ist, bekommen noch heute rund fünf Millionen Menschen in Westfalen und im Ruhrgebiet einen Chemikaliencocktail im Trinkwasser geliefert: neben PFT auch Röntgenkontrastmittel, Pharmaka, Antibiotika, Hormone und Abwässer von Industrieanlagen. Grund ist eine mangelnde Aufbereitungstechnik. Zwar ist der Bau neuer Anlagen beschlossen; fertiggestellt werden soll die rund 250 Millionen Euro teure Technik aber erst in zwei bis drei Jahren.

Die Ursache der PFT-Verseuchung ist bis heute nicht völlig geklärt: Eingesetzt wird die Chemikalie bei der Herstellung von atmungsaktiven Jacken, Feuerlöschschaum oder Teflon. Nordrhein-Westfalens CDU-geführtes Umweltministerium verkündete seit 2006 zusammen mit dem Ruhrverband, die PFT-Quelle für die Verunreinigung der Ruhr sei ein Maisfeld im sauerländischen Brilon. Dort war Dünger eingesetzt worden, den die Paderborner Firma GW Umwelt illegal mit PFT versetzt hatte. Allerdings stammen nur etwa 2,3 Prozent der PFT-Belastung aus dem Feld. 50 Prozent stammen aus den Einleitungen der kommunalen Kläranlagen der Ruhr, wie der zuständige Betreiber, der Ruhrverband eidesstattlich erklärt: Der Fluss diene nicht nur zur Trinkwassergewinnung.

Rund 60 Millionen Euro Forschungsmittel habe Friedrich ohne Kontrolle an immer gleiche Hochschuleinrichtungen und Ingenieurbüros vergeben, so der Vorwurf der Ermittler. Einen Schaden von rund 4,3 Millionen Euro soll der enge Mitarbeiter von Nordrhein-Westfalens grüner Exumweltministerin Bärbel Höhn dem Land zugefügt haben.

Doch die massiven Anschuldigungen lassen sich offenbar nur schwer erhärten. Zur Auftragsvergabe an die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH) gibt es in NRW kaum Alternativen. Die Ermittler bleiben dennoch ebenso wie die Beschuldigten - darunter etwa der ehemalige Leiter des Instituts für Wasserwirtschaft an der RWTH, Max Dohmann - stumm. Das Landeskriminalamt (LKA) verweist auf die Staatsanwaltschaft Wuppertal. Der ermittelnde Oberstaatsanwalt Ralf Meyer ruft trotz mehrfacher Nachfrage zum Stand des Verfahrens nicht zurück. Die taz hat dennoch Kenntnis über einen umfangreichen Teil der Ermittlungsakten: Demnach hat sich Friedrich nicht persönlich bereichert. An den Hauptverdächtigen ist kein Geld geflossen, so der Erkenntnisstand der Ermittlungskommission "Stuhl" des LKA-Dezernats 15.

Wenig substanziell scheinen auch weitere Vorwürfe gegen Friedrich: Der Verdacht, der nach der Besoldungsgruppe B7 mit rund 7.500 Euro im Monat bezahlte Ministeriale habe im Gegenzug für Auftragsvergaben einen Kleinwagen vom Typ Smart nutzen können, lässt sich offenbar nicht belegen. Auch die Nutzung eines Laptops der Aachener Universität scheint rechtmäßig: Auf dem Computer waren Programme installiert, deren Entwicklung das NRW-Umweltministerium in Auftrag gegeben und die Friedrich zu prüfen hatte. Noch vor Beendigung seines Arbeitsvertrages gab der ehemalige Abteilungsleiter das Gerät zurück. Viel zu hart sei die Staatsanwaltschaft gegen seinen Mandanten vorgegangen, sagt deshalb Friedrichs Anwalt Oliver Doelfs: "Für die Nutzung eines Laptops geht man nicht in Untersuchungshaft."

In der Landeshauptstadt Düsseldorf heißt es deshalb, Friedrich sei Opfer eines politisch motivierten Verfahrens. Der bekennende Grüne gilt als Experte für Wasserwirtschaft. Sein Fachwissen stellte er seiner Partei immer wieder zur Verfügung, zuletzt im Skandal um die Verseuchung des Trinkwassers aus der Ruhr. Das ist mit krebserregenden perfluorierten Tensiden (PFT) belastet, wird aber dennoch an Millionen Haushalte zwischen Dortmund und Duisburg geliefert (siehe Kasten). Der amtierende Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) geriet deshalb in derartige Erklärungsnot, dass in Düsseldorf bereits über eine Ablösung des Landwirts spekuliert wurde: Fast zwei Jahre hatte Uhlenberg erklären lassen, eine mit PFT belastete Ackerfläche sei Quelle des Gifts - dabei belegten Untersuchungen seines Ministeriums, dass mehr als 50 Prozent der Industriechemikalie aus den Kläranlagen des Ruhrverbands in den Fluss gelangten.

Schon 2006 hatte Uhlenberg versucht, den Höhn-Vertrauten Friedrich loszuwerden: Sein Büro im Umweltministerium durfte Friedrich nach einem Amerika-Besuch nicht mehr betreten, bekam seine fristlose Kündigung stattdessen vom Pförtner. Vor dem Arbeitsgericht aber wurde die völlig überraschend zurückgezogen - sogar eine Abfindung von 75.000 Euro erhielt er nun. Strafanzeige stellte das Ministerium damals dennoch.

In Fahrt kam das Verfahren aber erst zwei Jahre später mit dem PFT-Skandal: Wie aus den Ermittlungsakten hervorgeht, erneuerte der zweite Mann des Hauses, Umweltstaatssekretär Alexander Schink (CDU), die Anzeige im Juni 2008 unter Bezug auf eine Dienstbesprechung mit Oberstaatsanwalt Meyer und einem LKA-Beamten. Dabei warnten andere Mitarbeiter des Umweltministeriums bereits, Friedrich werde nicht ewig in Untersuchungshaft bleiben - und könne mit seinem Fachwissen leicht seine ganze ehemalige Abteilung lahmlegen. Im Ministerium gebe es "Leute, die vielleicht sogar Interesse haben, dass Herr Friedrich inhaftiert wurde oder das zumindest sein Ruf zerstört wird", sagt deshalb nicht nur der Jurist Doelfs. "Offensichtlich" habe das Umweltministerium ein "massives Interesse an den Ermittlungen", glaubt auch der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Landtag, Johannes Remmel. "Es wird zu klären sein, inwieweit politischer Einfluss genommen wurde." Die Landesregierung weist dies Vorwürfe zurück.

Im Zentrum der Kritik stünde dann wieder der glücklose Umweltminister Uhlenberg: Auf dem ersten Blatt der Ermittlungsakte prangt sein Name - unter der Rubrik Antragsteller.

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