Homosexuelle und Kirche: Habemus Homo

Horst Gorski hat gute Aussichten, als erster bekennender Homosexueller zum Bischof gewählt zu werden. Doch innerhalb der evangelisch-lutheranischen Kirche regt sich Widerstand.

Ein historischer Tag: Maria Jepsen (li), die erste lutherische Bischöfin, gratuliert im Lübecker Dom als Erste ihrer neuen Amtskollegin Bärbel Wartenberg-Potter (r) nach der Segnung zur Bischöfin am 1. April 2001. Bild: dpa

BERLIN taz Eigentlich ist die Sache glasklar: Gott hat seine Probleme mit Homosexuellen, zumindest der Bibel nach. Im 3. Buch Mose (Kapitel 18, Vers 22) steht, nach der letzten Übersetzung Luthers aus dem Jahr 1545: "Dv solt nicht bey Knaben ligen / wie beim Weibe / Denn es ist ein grewel." Auch im Neuen Testament wird die Homosexualität abgelehnt. Paulus etwa meint, dass Homosexuelle nicht nur eine Sünde begehen, sondern sogar jede Chance auf das Himmelreich verlieren: "Lasset euch nicht verfüren / Weder die Hurer … noch die Weichlingen / noch die Knabenschender / noch die Diebe / noch die Geitzigen / noch die Trunckenbold / noch die Lesterer / noch die Reuber / werden das reich Gottes ererben" (1. Korinther 6, 9-10). Was also wird passieren, wenn an diesem Samstag im Norden der Republik gegen 13.30 Uhr im Dom zu Schleswig der erste schwule lutherische Bischof der Welt gewählt werden sollte? Zuckt ein Blitz vom Himmel und erschlägt Horst Gorski?

Das ist nicht unbedingt zu erwarten, denn vielleicht haben die Schreiber der Bibel Gottes Willen ja nicht ganz eins zu eins festgehalten. Sicher aber ist, dass der 51-jährige Gorski, derzeit Propst und Pastor in Hamburg-Altona, im Blitzlichtgewitter der nationalen, ja wohl auch der Weltpresse stehen dürfte, wenn er gewählt wird. Denn seine Kandidatur für das Bischofsamt in Schleswig spaltet nicht nur die nordelbische Kirche, die von Hamburg bis an die dänische Grenze reicht. Gorskis Wahl könnte ein Spaltpilz für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), ja für den ganzen Lutherischen Weltbund sein. Ihm gehören in 140 Mitgliedskirchen derzeit mehr als 68 Millionen Christen in 78 Ländern an. Die anglikanische Kirche schliddert derzeit in eine Spaltung - wegen der Frage, ob Homosexuelle Bischöfe werden dürfen.

Im Vergleich dazu ist die EKD, der immer noch etwa 26 Millionen Menschen, etwa 30 Prozent der Deutschen, angehören, in Sachen Homosexualität ihrer Geistlichen gelassen. Nachdem es noch in den Neunzigerjahren über diese Frage vehementen Streit in den 23 Landeskirchen gab, raubt ein schwuler Pastor in Deutschland kaum einem protestantischen Christenmenschen nach dem Abendgebet noch den Schlaf. Generell gilt: Wer sich als schwuler Pastor oder lesbische Pastorin vom jeweiligen Gemeindevorstand bestätigen lässt, dass die homosexuelle Lebensweise für die Gemeinde kein Problem sei, kann in der Pfarrei als Geistlicher anfangen. Nur sehr konservative Landeskirchen wie etwa die sächsische erwarten in solchen Fällen eine sexuell enthaltsame Lebensweise der Pastorinnen oder Pastoren - das ist das Zölibat auf evangelisch.

Dabei ist die Sache kein Randphänomen mehr, über das man den Mantel des Schweigens breiten könnte. Schätzungen zufolge - genauere Informationen gibt es nicht -, sind rund 10 Prozent der Geistlichen in der EKD homosexuell, das wären etwa 1.500 Männer und Frauen. (In der katholischen Kirche gehen seriöse Experten eher von etwa 25 Prozent aus - aber diese Männer dürfen ihre Sexualität offiziell sowieso nicht leben.) Insofern war es nur eine Frage der Zeit, bis sich in Deutschland auch der erste Schwule um ein Bischofsamt bewirbt. Eine lesbische Fast-Bischöfin, die sogar verpartnert ist, gibt es bereits in der EKD, es ist Cordelia Kopsch, die Vizepräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.

Dennoch: Eine homosexuelle Partnerschaft im Pfarrhaus, ein schwuler Bischof gar, das bleibt für die EKD eine heikle Sache. In einer "Handreichung" aus dem Jahr 1996, die für die Gliedkirchen aber nicht bindend ist, möchte die EKD homosexuelle Geistliche nur "in Einzelfällen" akzeptieren. Ferner müssten diese ihre Lebensweise "ethisch verantwortlich" gestalten, sie nicht zum Gegenstand der Verkündigung machen und akzeptieren, dass die Bibel im Grunde Homosexualität ablehnt.

Kein Wunder, dass konservative Gruppen in der EKD kräftig gegen Gorskis Kandidatur schießen. Die Nominierung Gorskis zeige "erneut erschreckend", so verkündete es etwa der pensionierte Pastor Dieter Müller aus Kiel, "wie weit sich die nordelbischen Entscheidungsträger von der Heiligen Schrift fortbewegt haben". Eine Wahl Gorskis wäre eine "ethische Katastrophe", sagte das Vorstandsmitglied der konservativen "Kirchlichen Sammlung um Bibel und Bekenntnis". Dieser Verband ist klein - publizistisch aber lautstark, zuletzt in seinem Protest gegen die "Bibel in gerechter Sprache", die ebenfalls in Nordelbien protegiert wurde. Zudem spricht die "Sammlung" für nicht wenige sehr konservative Protestanten, wie etwa in einem Leserbrief zur Gorski-Affäre bei der evangelikalen Nachrichtenagentur idea zu lesen war. Darin ist zu lesen: "Homosexualität ist ganz einfach eine satanische Energie und Besessenheit". Auch die theologischen Aussagen des schwulen Bischofskandidaten zeigten, "dass Herr Gorski für den Widersacher arbeitet".

Die nordelbische Kirchenleitung distanziert sich von solchen Hardlinern, tut die "Sammlung" als "traurige Randerscheinung" ab. Der andere Kandidat für das Bischofsamt, Propst Gerhard Ulrich (57) aus Angeln, betont sein bestes Einverständnis mit Gorski. Der Synodenpräsident Hans-Peter Strenge hebt hervor, dass die Homosexualität eines Kandidaten keine Auswirkungen auf die Wahl habe. Überhaupt werde diese Frage "außerhalb der Kirche aufgeregter diskutiert als innerhalb". Möglich aber ist, dass sich gerade wegen der Angriffe auf Gorski die Reihen hinter ihm schließen. Erinnert sei daran, dass die nordelbischen Protestanten schon einmal Kirchengeschichte geschrieben haben, und zwar mit Maria Jepsen, die im Dom zu Schleswig auch anwesend sein wird. Sie wurde 1992 zur ersten lutherischen Bischöfin der Welt gewählt.

Schon damals ging eine Welle der Empörung durch den Lutherischen Weltbund - mittlerweile hat man sich an weibliche Oberhirten gewöhnt. Wird es bei Gorski ebenfalls so sein? Bischof Thomas O. Laiser von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania erklärte im Juni zum Auftakt der LWB-Ratssitzung im ostafrikanischen Arusha: Für ihn sei Homosexualität "nicht diskutierbar und von daher nicht akzeptierbar". Immerhin räumte er ein, dass es Homosexualität in Afrika gebe. Und der LWB kündigte schon vorab an, sich in die Kontroverse um Gorski nicht einzuschalten. Gut möglich aber, dass die Diskussion ab heute erst richtig losgeht. Weltweit.

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