Unicef nach dem Skandal um Provisionen: "Das Vertrauen hat gelitten"

Knapp 40.000 Förderer kehrten dem Kinderhilfswerk seit dem Skandal um Spendeneintreiber den Rücken. Unicef rechnet mit 20 Millionen Euro weniger Einnahmen.

Die meisten prominenten Paten sind der Unicef treu geblieben, auch Model Eva Padberg, hier mit Kindern in einem ruandischen Kulturzentrum. Bild: dpa

KÖLN taz Das Deutsche Komitee für Unicef rechnet in diesem Jahr mit Mindereinnahmen von bis zu 20 Millionen Euro. Das teilte der Vorsitzende Jürgen Heraeus am Dienstag bei der Vorstellung des Geschäftsberichtes 2007 in der Kölner Zentrale des Kinderhilfswerks mit. „Wir brauchen wieder das Vertrauen, das hat sehr gelitten in den vergangenen Monaten“, sagte er.

Das Kinderhilfswerk war Ende November letzten Jahres wegen des dubiosen Finanzgebarens ihres langjährigen Geschäftsführers Dietrich Garlichs in eine Führungs- und Vertrauenskrise geraten. Nach heftigem Streit traten im Februar zunächst die Unicef-Vorsitzende Heide Simonis und dann auch der umstrittene Garlichs zurück. Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen entzog der Organisation das Spendensiegel, unter anderem, weil es den Einsatz provisionsabhängiger Spendenwerber verschwiegen hatte. „Wie man so etwas Dummes machen kann, ist mir völlig unerklärlich“, sagte Heraeus. Mancher, der Gutes tue, glaube offenbar, er bräuchte sich nicht an Regeln halten. Deshalb habe wohl in der Vergangenheit ein „Hauch von Unantastbarkeit“ über Unicef gelegen. „Das ist für jedes Unternehmen schädlich“, kritisierte er.

Die Folgen waren fatal: Von Dezember 2007 bis Mai 2008 sanken die Spendeneinnahmen um rund 20 Prozent. Rund 38.000 von 203.000 Fördermitgliedern kehrten Unicef den Rücken. Inzwischen sei allerdings die Kündigungswelle gestoppt. Außerdem hätten die Großspender - also die Firmenpartner - der Organisation zum Glück die Treue gehalten. Noch nicht gelungen sei es jedoch, die vielen Kleinspender wieder ins Boot zu holen. „Aber wir sind auf einem guten Weg“, betonte Heraeus.

„Wir haben schwere Monate hinter uns, in denen wir mit sehr viel Skepsis konfrontiert wurden“, sagte die Sprecherin des Ehrenamtlichen-Beirats, Carmen Creutz. Noch immer bekämen die rund 8.000 ehrenamtlichen Unicef-Helfer den Vertrauensverlust deutlich zu spüren. „Wir kommen jetzt ganz, ganz schlecht in die Schulen rein“, sagte sie. Das läge an der starken Verunsicherung von Eltern. Gleichwohl blicke sie aufgrund der eingeleiteten Reformen und der Mitte April komplett neu gewählten Führung inzwischen „eigentlich wieder positiv in die Zukunft“, sagte Creutz.

Als eine Konsequenz aus der Krise sollen von Unicef überhaupt keine Provisionen mehr gezahlt werden. „Im Geschäftsbericht 2008 wird die Zahl ‚null‘ lauten“, sagte Heraeus. Zu den weiteren Lehren gehört eine Änderung der Satzung, mit der die bisher nicht vorhandene Trennung von Vorstand und Geschäftsführung festgeschrieben werden soll. Weitere Strukturänderungen sollen folgen. „Jede Krise hat eine Chance“, sagte die frühere Dressur-Olympiasiegerin und heutige Unicef-Vizevorsitzende Ann Kathrin Linsenhoff.

Verlorenen Boden versucht Unicef vor allem durch mehr Transparenz wieder gut zu machen. So fiel der Geschäftsbericht für 2007 umfangreicher und detaillierter aus als in den vergangenen Jahren. Er liste alle Einnahmen und Ausgaben „besser, transparenter und klarer nachvollziehbar“ auf, betonte die Schatzmeisterin Anne Lütkes. Im September werde es einen weiteren, noch ausführlicheren Finanzbericht geben, kündigte die ehemalige Grünen-Politikerin an.

Da die Verbandskrise nur noch knapp das vergangene Jahr streifte, sanken laut Geschäftsbericht die gesamten Einnahmen von Unicef Deutschland 2007 gerade mal um vier Prozent auf 94,7 Millionen Euro. Damit schaffte das Kinderhilfswerk immerhin noch das drittbeste Ergebnis in seiner Geschichte. 69,6 Millionen Euro davon resultierten aus Spenden - ein Rückgang um 6,1 Prozent. Der Verkauf von Grußkarten brachte fast unverändert rund 21 Millionen Euro ein.

19,4 Prozent der Einnahmen gingen in Verwaltung, Werbung, Kampagnen- oder Informationsarbeit. Im Vergleich mit anderen Spendenorganisationen bewege sich Unicef damit „ im guten Mittelfeld“, so Heraeus. Rund 80 Prozent - 76,3 Millionen Euro - überwies die deutsche Sektion an Unicef-Programme in mehr als 50 Ländern. Unter anderem erhielten hunderttausende Kinder im südlichen Afrika mit Spenden aus Deutschland erstmals Zugang zu Schulbildung. In Westafrika finanzierten Spendengelder lebensrettende Impfkampagnen und Moskitonetze zum Schutz vor Malaria, in Indien halfen sie beim Schutz der Kinder vor Ausbeutung. In vielen Krisengebieten, darunter Afghanistan, Sudan, Nordkorea und Zimbabwe unterstützte Unicef mit Spenden aus der Bundesrepublik Not leidende Kinder.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.