EU-Reform gestoppt: Im Zweifelsfall dagegen

Mit 53,4 Prozent lehnen die Iren den EU-Vertrag von Lissabon ab. Vor allem Arbeiter und Bauern stimmten mit Nein.

Die Mehrheit der abgegebenen Stimmen sagten Nein zum EU-Vertrag. Bild: dpa

DUBLIN taz Das Ergebnis war nicht ganz so knapp wie erwartet: 53.4 Prozent der Iren lehnten beim Referendum den EU-Vertrag von Lissabon ab. Vor allem in den städtischen Arbeitervierteln, aber auch in ländlichen Gebieten lagen die Vertragsgegner vorne. Nur in den Dubliner Wahlkreisen der Mittelschicht konnten sich die Befürworter durchsetzen. Abgestimmt hatten die Iren am Donnerstag; die Ergebnisse wurden am Freitagnachmittag bekannt.

Die Hoffnung der Regierung, eine hohe Wahlbeteiligung würde die Zustimmung begünstigen, erwies sich als Irrtum. Immerhin gaben rund 45 Prozent der drei Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab.

Die Europaabgeordnete Kathy Sinnott begrüßte das Ergebnis. Sie sagte, dass die Menschen in Europa erfreut sein werden, da ihnen nicht die Gelegenheit zugestanden worden war, über den Vertrag abzustimmen. Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams vom politischen Flügel der Irisch-Republikanischen Armee, dessen Partei als einzige für ein Nein eingetreten war, sagte, man müsse die Bedenken der Wähler ernst nehmen. "Wir sind immer noch im Herzen Europas", sagte er, "aber die Menschen wollen eine soziale Europäische Union."

Der frühere Premierminister Garett Fitzgerald meinte, man müsse der Tatsache ins Auge blicken, dass "die anderen EU-Länder ohne uns mit der Ratifizierung des Lissabon-Vertrags weitermachen" werden. Außenminister Micheál Martin sagte, dass viele Wähler sich offenbar mangelhaft über den Vertrag informiert fühlten.

Die Gründe für die Ablehnung sind vielfältig. Katholische Organisationen hatten gewarnt, dass Abtreibung, Prostitution, Euthanasie, gleichgeschlechtliche Ehen und anderes Unheil über Irland hereinbrechen würde. Die linken Gruppen waren ein breites Bündnis eingegangen. Sie warnten vor der angestrebten Privatisierung öffentlicher Dienste, vor der erzwungenen Öffnung von Transport und Energie für Privatunternehmen, vor der Erhöhung der Militärausgaben sowie der Ausweitung der Macht für den Europäischen Gerichtshof. Dieser Gerichtshof, so argumentierten sie, habe Streiks für illegal erklärt, wenn dadurch gleicher Lohn für Arbeitsmigranten durchgesetzt werden soll.

Ausschlaggebend für die Ablehnung des Vertrags waren die Unentschlossenen, die bis zum Wahltag nicht wussten, wie sie abstimmen sollten. Die meisten handelten schließlich nach dem Prinzip: Im Zweifel stimm dagegen.

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