Kunstaktion: Das Krokodil hat sich verbissen

Eine edle Tennisklamottenmarke lud sich zu ihrer Geburtstagsfeier Künstler ins KaDeWe ein. Einer nutzte dies für eine Sprayattacke. Jetzt wird gerätselt: Ist das Guerilla-Marketing oder Protest?

Guerilla-Marketing oder Protest im KaDeWe? Bild: REUTERS

Die Polohemdenmarke Lacoste umgibt das gleiche Image wie Jacques Tati, die schlaksige Ikone des französischen Films: leicht störrisch, altbacken, linkisch im Bemühen um Verjüngung, aber gerade deshalb charmant. Selbst in einem rosa Polohemd sieht man nie schwul aus, wenn das grüne Lacoste-Krokodil auf der Brust prangt. Just zum 75. Geburtstag der Marke könnte dieses kreuzbrave Image kippen. Dann steht das rosa Polo für Schweinchen Dick, das quäkende Spielverderber-Schweinchen, das so pedantisch wie humorlos ist. Und das nur, weil Lacoste sich zum Geburtstag die falschen Freunde eingeladen hat.

Unter dem Titel "12.12 Gallery" bat Lacoste elf in Berlin lebende Streetart-Künstler, Polo und Kroko zur Rote-Teppich-Feier im KaDeWe zu interpretieren. Die Arbeiten von Paul Snowden, Marok, Dirk Bonn oder Anne Vistven werden seit Mittwochabend in den Schaufenstern präsentiert und online versteigert - für einen guten Zweck, versteht sich. Auch Brad Downey wurde eingeladen. Und man muss schon sagen: Wer sich einen Punk in seine Villa lädt, braucht sich nicht zu wundern, wenn der in den Swimmingpool pisst. Oder, wie Downeys Künstlerkumpel Dave the Chimp kommentierte: "If youre going to employ a vandal, youre going to get a vandal."

Brad Downey hatte von Anfang an keinen Hehl aus seiner kommerzkritischen Haltung gemacht. In seinem Konzeptpapier an Lacoste schrieb er von seiner Idee, mit einem Feuerlöscher, gefüllt mit Lacoste-grüner Farbe, ein Objekt zu sprühen oder eine öffentliche Skulptur. "Something outside will turn green." Dieses "something outside" war die Fassade des KaDeWe. Am 22. Mai besprühte Downey frühmorgens 100 Meter Schaufensterfläche im schönsten Grün. Natürlich problemlos abwaschbar. Die Aktion ließ er filmen, um das Video im Schaufenster auszustellen.

Weder bei Lacoste noch beim KaDeWe zählte man eins und eins zusammen und brachte die Aktion mit der fast wortwörtlichen Ankündigung in Deckung. Stattdessen schaltete man die Polizei ein. Musste man etwa von einem antichinesischen Anschlag von Tibet-Aktivisten ausgehen? Schließlich bewarb das KaDeWe gerade Vera Wang im Schaufenster - eine chinesische Designerin, die zwar seit ihrer Kindheit in den USA lebt und mehr mit Buffy, der Vampirjägerin verbindet als dem chinesischen Regime. Aber man weiß ja nie.

Als die Urheberschaft schließlich geklärt war, zeigten sich KaDeWe und Lacoste schwer pikiert und schlossen den undankbaren Rüpel aus der Ausstellung aus. Dafür nahmen sie sogar in Kauf, das "12.12"-Riesenbanner mit den Namen der Künstler an der KaDeWe-Fassade für viel Geld austauschen zu müssen. Über den Ausschluss wiederum ist Downey pikiert, der doch nichts anderes getan hat, als seinen Auftrag auszuführen. Schließlich möchte er nicht als juveniler Vandale, sondern als interventionistischer Künstler verstanden werden.

In der Kunstwelt ist das längst angekommen. Der Abgänger von der Londoner Slade School of Fine Art hat Arbeiten im ICA in London gezeigt oder auch in Berlin auf der Backjumps-Ausstellung im Haus Bethanien. Mit seinem Kompagnon Darius Jones hat er das Buch "The Adventures of Darius & Downey" bei Thames & Hudson veröffentlicht.

Dass KaDeWe und Lacoste in ihrer bürokratischen Verstocktheit Kunst von Vandalismus nicht unterscheiden können, selbst wenn man sie mit der Nase draufstößt, sorgt natürlich für ein paar hämische Lacher. Diesen Imageverlust hätten die Auftraggeber ahnen können, Warnungen gab es. Aber wenn einem in die Suppe gespuckt wird, die Suppe mit Gourmet-Grinsen auszulöffeln, dafür sind KaDeWe und Lacoste beileibe nicht smart genug. Die Kunstwelt wird jetzt wohl Fred Perry tragen. Und KaDeWe und Lacoste stehen da wie die Putzfrau der Düsseldorfer Kunstakademie, die 1988 Joseph Beuys Fettecke wegpoliert hat.

Oder war die Aktion doch ein wohlkalkulierter Mediencoup der noch viel smarteren Lacoste-Strippenzieher und Brad Downey die ahnungslose Marionette, der arme Tor? So wie Tom Cruise in "Mission: Impossible?" Immerhin hätte der 75. Geburtstag von Lacoste in dieser Zeitung keine Erwähnung gefunden ohne das Downeygate. Die Wahrheit ist eine Schachtel, in der immer noch eine Schachtel steckt. Wenn man sie öffnet, grinst einem ein Guerilla-Krokodil entgegen.

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