Gesine Schwans "Ratiopharm-Affäre": Kein Schatten auf der Sauberfrau

Die neue Präidentschaftskandidatin Gesine Schwan soll kein Geld für sich genommen und transparent um Spenden für ihre Uni geworben, verteidigt ein Mäzenenforscher sie.

Schwan habe sich korrekt verhalten, meint Bürgergesellschaftsforscher Sprengel. Bild: dpa

BERLIN taz Ratiopharm ist nicht nur ein Pharma-Gigant, sondern spätestens seit Enthüllungen des Sterns eines der am schlechtesten beleumundeten Unternehmen Deutschlands. Der Ulmer Generikaproduzent legte Ärzten mit Geldgaben die Verschreibung von ratiopharm-Medikamenten nahe.

Ausgerechnet mit diesem bad boy soll die SPD-Kandidatin fürs höchste Amt im Staate dunkel zusammenarbeiten? Gesine Schwan habe ratiopharm angeboten, so zitiert die Wirtschaftswoche einen Brief, "saubere Mitstreiter zu finden" - gegen Zahlung von Spenden. Fällt da etwa ein Schatten auf die Kandidatur der Sauberfrau, fragte Bild am Sonntag und berichtete genießerisch von 20.000 Euro Honorar, die Schwan von ratiopharm angenommen habe - für einen Vortrag auf einem Schiff.

Da kann Rainer Sprengel nur lachen. Der Bürgergesellschaftsforscher der Uni Halle erzählt, an welchen Orten die Kontaktaufnahme zwischen Unternehmern und Vertretern von Leuten stattfindet, "die eine gute Idee, aber wenig Geld haben". In diesen Begegnungsräumen treffen sich elitäre Kreise mit Nonprofit-Organisationen, darbenden Museumsdirektoren - und manchmal Unipräsidentinnen. Es werde Vortrag gegen Geld getauscht. "Das ist eine typische Form, in diesen Kreisen Ideen zu präsentieren - aber sie sieht nach außen immer doof aus", sagt Sprengel. Mit dieser Anmutung arbeiteten auch die Medien, die den Kontakt Schwan/ratiopharm skandalisierten. Allerdings hat Schwan die 20.000 Euro nicht in ihre Tasche gesteckt, sondern ihrer Viadrina-Uni Frankfurt (Oder) gegeben.

Der schwerere Vorwurf gegen sie lautet, sie habe eines jener typisch korrupten Kopplungsgeschäfte angebahnt. Biete saubere Mitstreiter - und erwarte dafür eine Spende. "Dazu könnte entscheidend beitragen, dass ratiopharm", so Schwan im Brief an das Pharmaunternehmen, "unsere Humboldt-Viadrina-School of Governance mit einem nennenswerten Betrag unterstützt."

Auch hier wiegen alle Philantropie- und Good-Governance-Forscher mit dem Kopf. Geld zu akquirieren für soziale Ziele sei ein brutales Geschäft. Beim Stifterverband für die Wissenschaft, der zentralen Sammelstelle der Wirtschaft für Geld, seien 2007 ganze 108 Millionen Euro eingegangen - für die gesamte Bundesrepublik. Kein Vermögen angesichts der Tatsache, dass erst ab einer Milliarde Euro pro Stiftung genug Zinsen sprudeln, um sinnvoll Wissenschaft betreiben zu können. Die Folge: Jedes Sponsoring-Geschäft steckt in einem Dilemma. Gibt es eine irgendwie geartete Gegenleistung für das geldgebende Institut, heißt es: "Oh, ihr macht ja ein Geschäft daraus!". Gibt das Unternehmen das Geld aber rein philantropisch, kommt genau der gegenteilige Vorwurf: "Oh, ihr macht ja gar kein Geschäft daraus!" In diesem Spannungsfeld, so Mäzenenforscher Sprengel, gebe es kein allgemein akzeptiertes Verhalten.

Gesine Schwan hat dieses Problem gekannt - und angesprochen. Sie schreibt im Brief, beide Projekte - die Beratung durch Schwan und die Spende an die Viadrina Uni - gehörten zusammen. "Sonst könnte man Ihnen oder uns vorwerfen, wir würden nur in Ihrem geschäftlichen Interesse instrumentalisiert, was für uns beide abträglich, für uns jedenfalls inakzeptabel wäre."

Dieser Satz wurde von Bild und anderen nicht zitiert. Und noch etwas fehlte. Dass ratiopharm-Chef Philipp Merckle, der Gesine Schwan eingeladen hatte, im März dieses Jahres zurücktrat. Sein Vater habe ihn zurückgepfiffen, heißt es in der Szene. Seine neue "ethische Firmenphilosophie" habe bei ratiopharm zum Rückgang von Marktanteilen geführt.

CHRISTIAN FÜLLER

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