Rot-Rot: Europa sorgt für Nachbeben

Knatsch in der rot-roten Koalition: Nachdem die Linken beim EU-Reformvertrag ihren Willen bekommen haben, will jetzt die SPD zeigen, wer im Senat das Sagen hat.

Für die Linkspartei wird es in der rot-roten Koalition ungemütlich. Nachdem sich das Land Berlin - wie von den Linken gewünscht - am Freitag bei der Abstimmung über den EU-Reformvertrag enthalten hat, will die SPD nun zeigen, wer im Senat den Ton angibt. "Wir werden in der nächsten Zeit genau darauf achten, dass wir unsere Vorstellungen auch umsetzen", sagte Landes- und Fraktionschef Michael Müller am Sonntag zur taz. Die SPD sei unstreitig der stärkere Partner in der Koalition, das werde man auch vermitteln.

Als Beispiel für den neuen sozialdemokratischen Nachdruck nannte Müller den Tarifstreit im öffentlichen Dienst. Die Linken hatten signalisiert, dass sie den Gewerkschaften mehr Zugeständnisse machen wollen als die SPD. Daraus wird jetzt wohl erst mal nichts. "Wir werden darauf achten, dass die Verhandlungen so geführt werden, wie wir uns das wünschen", sagte Müller. Auch die Einführung der Gemeinschaftsschule solle nach den Vorstellungen der Sozialdemokraten ablaufen. Die Linke hatte die Einheitsschule flächendeckend etablieren wollen, die SPD erst mal nicht.

Klaus Lederer, Landeschef der Linken, wies die Ankündigungen Müllers als "unangemessen" zurück. Im Koalitionsvertrag sei schließlich geregelt, dass sich Berlin im Bundesrat der Stimme enthält, wenn sich die Partner nicht auf eine Position einigen. "Dass Verträge befolgt werden, kann kein Anlass für Drohgebärden sein", sagte Lederer der taz.

"Es geht SPD und Linken nicht mehr um Inhalte, sondern um machttaktische Spielchen", kommentierte der Fraktionschef der Grünen, Volker Ratzmann, den andauernden Knatsch in der Koalition. Er könne sich gut vorstellen, dass die SPD einen Preis für die Enthaltung im Bundesrat fordere. Das rot-rote Kräftemessen gehe aber letztlich auf Kosten des Landes, glaubt Ratzmann. "Die Koalition trägt ihre Schwierigkeiten auf dem Rücken der Stadt aus."

Für den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU, Frank Henkel, kommt die Ankündigung Müllers zu spät. Bei der Abstimmung über den EU-Reformvertrag habe die SPD dazu beigetragen, dass sich Berlin "bis auf die Knochen blamiert". Noch sei die SPD auch weit davon entfernt, die Linke im Griff zu haben. "Inhaltlich diktiert doch die Linkspartei die Politik des Senats", so Henkel. Nicht nur die Haltung zur Europapolitik, auch der öffentliche Beschäftigungssektor und die Gemeinschaftsschule gingen auf die Linken zurück. Sein Fazit: Die Sozialdemokraten sind "völlig profillos".

SPD-Chef Müller sieht das naturgemäß anders. Mit Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner habe die SPD gerade in der Hochschulpolitik viel bewegt. Er schickte gleich noch eine Spitze in Richtung der Linkspartei hinterher. Abzielend auf deren Arbeitssenatorin Heidi Knake-Werner sagte er: "Wenn der öffentliche Beschäftigungssektor ein so wichtiges Projekt für die Linken ist, frage ich mich, warum er noch nicht umgesetzt wurde."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.