Trotz Kritik aus dem Bundestag: Deutschland gegen Streubombenverbot

Die deutsche Regierung weigert sich weiter strikt, Streubomben vollständig zu verbieten. Kritik aus allen Bundestags-Fraktionen missachtet das Auswärtige Amt.

Über zwei Drittel der UN-Staaten wollen Streubomben verbieten - Deutschland ist nicht darunter. Bild: rtr

GENF taz Trotz erheblicher Bedenken und Kritik aus allen Fraktionen des Bundestages versucht die Bundesregierung weiterhin, ein rasches und vollständiges Verbot von Einsatz, Produktion, Lagerung und Export aller Arten von Streubombenmunition zu verhindern. Dies wird inzwischen von über zwei Drittel der 192 UNO-Staaten angestrebt.

Bei der am Montag in der irischen Hauptstadt Dublin eröffneten letzten Verhandlungsrunde über einen entsprechenden Vertragsentwurf vertritt die deutsche Delegation unverändert dieselben weitreichenden Forderungen nach technischen und politischen Ausnahmen sowie nach sehr langen Übergangsfristen bis zum Inkrafttreten eines teilweisen Verbotes wie bei der letzten Runde im März. Zahlreiche kritische Fragen von Abgeordneten aller Parteien auf der Sitzung des Unterausschusses für Rüstungskontrolle und Abrüstung des Bundestages von Ende April sowie in einem Schreiben der beiden zuständigen Berichterstatter der Koalitionsfraktionen, Theodor von Guttenberg (CSU) und Andreas Weigel (SPD), hat die Regierung trotz entsprechender Zusicherung bislang nicht beantwortet. Die beiden Berichterstatter hatten in ihrem Schreiben vom 7. Mai, das an Staatsminister Gernot Erler im Auswärtigen Amt sowie den Parlamentarischen Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt, gerichtetet war, ausdrücklich eine Beantwortung ihrer 45 Fragen noch vor Beginn der Verhandlungen in Dublin angemahnt.

Die Regierung hält Streubombenmunition weiterhin für militärisch erforderlich und will die Typen, die wegen Selbstzerstörungsmechanismen oder anderer technischer Spezifikationen angeblich keine Gefahr für Zivilisten darstellen, von einem Verbot ausnehmen. Dabei handelt es sich um Typen, die sich bereits in Arsenalen der Bundeswehr befinden, sowie um von Rheinmetall, Diehl und anderen deutschen Rüstungsfirmen betriebene Neuentwicklungen, mit denen die Unternehmen große Exportinteressen verbinden.

Für die angebliche Ungefährlichkeit bestimmter Munitionstypen für Zivilisten kann das Verteidigungsministerium keine einzige unabhängige Untersuchung anführen, sondern nur Behauptungen der Herstellerfirmen. Widerlegt werden diese Behauptungen durch eine Reihe internationaler unabhängiger Studien. Ein Verbot von für Zivilisten gefährlicher Streubombenmunition soll nach Vorstellung der Bundesregierung erst zehn Jahre nach der Vereinbarung eines Abkommens in Kraft treten. In dieser Übergangsphase könnten die entsprechenden Bestände der Bundeswehr noch exportiert werden. Außerdem verlangt die Bundesregierung, dass es einem Unterzeichnerstaat des Abkommens erlaubt bleiben soll, Nichtunterzeichnerstaaten während gemeinsamer Militäreinsätze (zum Beispiel im Rahmen der Nato) beim Einsatz von Streubombenmunition zu unterstützen.

"Keinesfalls darf nach außen der Eindruck entstehen, dass sich die Bundesregierung auf diesem Feld von den Interessen der militärischen Industrie unter Druck setzen lässt," heißt es in dem Schreiben der beiden Abgeordneten von Theodor von Guttenberg und Andreas Weigel. Auch der "scheinbaren Rücksichtsnahme auf enge bilaterale Partner" seien "hinsichtlich dieser Thematik enge Grenzen gesetzt". Die Abgeordneten mahnen eine "flexiblere Haltung" der Bundesregierung an. An den noch offenen Fragen dürfe eine Unterschrift Deutschlands unter den Vertragsentwurf "schlichtweg nicht scheitern". Eben diese Option hält sich die Bundesregierung nach Auskunft aus dem AA aber ausdrücklich offen, falls sie ihre Ausnahmeforderungen bei den Verhandlungen in Dublin nicht durchsetzen kann.

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