Gentechfreie Zonen: Vorreiter ist das Schweizer Volk

Die Ausrufung von "gentechnikfreien Zonen" ist das beliebteste Mittel im Kampf gegen die Gentechnik. Das zeigt der Planet-Diversity-Kongress. Selbst die Wirtschaft wirbt mit dem Label.

Protestaktion gegen den Anbau von Gentech-Pflanzen. Bild: dpa

BONN taz Edenia Montano ist eine stolze Frau. Auch vor dem internationalen Publikum auf dem Planet-Diversity-Kongress in Bonn trägt sie den traditionellen Hut aus Zuckerrohr, der sie als Bäuerin und Angehörige der kolumbianischen Indigenen-Nation Zenú kennzeichnet. "Wir haben 27 Maissorten: für Tortillas, für Alkohol, für alles Mögliche", sagt sie und kramt zum Beweis gelbe, rote und schwarze Körner hervor. Um diese Vielfalt zu bewahren, haben die Zenú ihr 83.000 Hektar großes Gebiet zur gentechnikfreien Region erklärt. Eine solche Deklaration ist ein immer beliebteres Mittel im Kampf gegen Gentechnik. Das zeigten die Berichte der Umwelt-, Bauern- und Entwicklungsorganisationen am Mittwoch. Der Planet-Diversity-Kongress ist der Gegengipfel zu den UN-Konferenzen über Biosicherheit und Biodiversität, die in dieser und der kommenden Woche ebenfalls in Bonn stattfinden.

Vorreiter bei den Gentechnikgegnern dürfte die Schweiz sein. Schon 2005 führte eine Volksabstimmung hier zu einem Verbot der Gentechnik in der Landwirtschaft für die nächsten fünf Jahre. "Trotz des Widerstands der Regierung und des Parlaments", wie die Parlamentsabgeordnete Maya Graf sagte. Zur Halbzeit des Moratoriums zieht Graf eine positive Bilanz: "Den Leuten geht es wunderbar: Es gibt keine Nachfrage nach gentechnisch veränderten Produkten - und keine Versorgungsengpässe." Die Schweiz sei tatsächlich gentechfrei, wenn man mal von einem Freilandversuch mit transgenem Weizen absieht. Die angedrohten Klagen vor der Welthandelsorganisation (WTO) blieben aus.

Die Wirtschaft wirbt inzwischen sogar mit dem Ausschluss von Gentechnik: Zwei Drittel der Lebensmittel tragen laut Graf das Label "Suisse Garantie", zu dessen Bedingungen das Verbot dieser Methode gehört. Just am Mittwoch schlug sich nun auch die Schweizer Regierung auf die Seite der Moratoriumsbefürworter: Sie beschloss, dem Parlament eine Verlängerung um drei Jahre vorzuschlagen.

Insgesamt gibt es 230 Regionen in Europa, die sich für "gentechnikfrei" erklärt haben. Dazu gehört auch die Toskana. "Es war nicht leicht, weil das italienische und das EU-Recht keine verpflichtenden gentechnikfreien Zonen zulassen", erzählt Fabio Boscaleri vom Landwirtschaftsministerium der Region. Diese Schwierigkeiten wollen die Italiener auch mithilfe eines Netzwerks von 44 gleichgesinnten Regionalregierungen aus sieben Ländern überwinden. "Unser Ziel ist ein gemeinsames Label für gentechnikfreie Produkte", sagt der Experte.

Die meisten gentechnikfreien Regionen Europas hat die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Deutschland (AbL) gezählt: 180. Dahinter verbergen sich laut Angaben 28.000 Bauern, die mehr als eine Million Hektar bewirtschaften.

Doch diese Errungenschaften sind in Gefahr. In der brandenburgischen Uckermark fürchten Bauern einer gentechnikfreien Region um ihr Land. Grund ist die geplante Privatisierung von Flächen, die die Bauern derzeit gepachtet haben. Der Bund will sie verkaufen. Die Landwirte haben nun Angst, dass sie bei einer Versteigerung gegen Investoren verlieren könnten, die auf dem Boden Pflanzen für Agrokraftstoffe anbauen wollen.

"Die Preissteigerungen bei Agrarrohstoffen ziehen viel spekulatives Kapital an", warnt Landwirt Martin von Haaren. Die neuen Eigentümer würden die Erträge steigern wollen, um genug Material für die Energiegewinnung zu liefern - mit Pestiziden und transgenem Saatgut. Die Regionen befürchten nun, dass ihre Felder von genveränderten Pflanzen verschmutzt werden.

"Koexistenz ist nicht möglich", meint Annemarie Volling von der AbL und richtet einen Appell an die Regierungen bei der UN-Konferenz über Biosicherheit: "Sie sollten die Hersteller dazu verpflichten, für die Schäden geradezustehen."

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