Politologe über Rechts-Blatt „Junge Freiheit“: „Die Seriösität ist äußerst fragwürdig“

Die rechte Postille „Junge Freiheit“, für die der CDU-Politiker Krause gearbeitet hat, betreibe meisterhaft die publizistische Verstellungskunst, analysiert der Politologe Wolfgang Gessenharter.

taz: Herr Gessenharter, der designierte Thüringer Kultusminister Peter Krause (CDU) spricht von der Jungen Freiheit als einem „anerkannten Medium der Presselandschaft“. Ist sie das?

Wolfgang Gessenharter: Wenn man sieht, wer sich dort in der Vergangenheit alles in Interviews zu Wort gemeldet hat, auch aus den großen Parteien und Wirtschaftsverbänden, könnte man das rein faktisch so sehen. Dabei müsste aber inzwischen jeder wissen, dass die Junge Freiheit eine rechte Postille ist, deren Seriosität äußert fragwürdig ist.

Was ist an der Jungen Freiheit gefährlich?

Sie verkündet eine Botschaft, aus der man durchaus schließen kann, dass sie das Grundgesetz negiert, ohne dies aber so deutlich zu machen, dass sie ins Visier des Verfassungsschutzes geraten könnte. Diese Verstellungskunst betreibt sie mit großer Meisterschaft.

Inwiefern steht sie mit dem Grundgesetz in Konflikt?

In der Jungen Freiheit wird immer wieder die angeborene und unveräußerliche Würde jedes Menschen infrage gestellt. Da gibt es zahlreiche, auch aktuelle, Beispiele, wo etwa Straftätern ganz populistisch die Würde abgesprochen wird.

Welche Bedeutung hat das Blatt für das rechte Spektrum?

Die Zeitung regt Diskussionen an, in denen Personen aus dem konservativen Lager bis zur extremen Rechten zu Wort kommen, darunter auch NPD-Aktivisten. Sie bildet dadurch eine wichtige intellektuelle Elite im rechten Lager. Allerdings drückt sie ihre Ideologie immer etwas harmloser aus, damit die streitbare Demokratie keine Ansatzpunkte hat.

Seit 2005 darf die Junge Freiheit nicht mehr in den Verfassungsschutzberichten erwähnt werden. Hat die Zeitung dennoch einen braunen Kern?

Zentraler Bezugspunkt sind die Gedanken der konservativen Revolution aus der Weimarer Republik und des NS-Staatsrechtslehrers Carl Schmitt, der aus seiner Abneigung gegen die Bundesrepublik bis zu seinem Tod 1985 keinen Hehl machte.

Was ist zentral für das Gedankengut in dem Blatt?

Immer wieder taucht der entscheidende Satz auf, dass die Gleichheit der Menschen eine Illusion sei. Es werden also nicht allen Menschen die gleichen Rechte zugesprochen, unabhängig von Geschlecht, Abstammung, Rasse oder Herkunft.

Ideologischer Kern der Neuen Rechten, als deren Leitorgan die Junge Freiheit gilt, ist der sogenannte Ethnopluralismus. Was heißt das?

Die wichtigste Zugehörigkeit des Einzelnen ist nicht die zur Menschheit als Ganzem, sondern die zur jeweiligen Ethnie oder dem „Volk“. Es gilt also: Deutschland den Deutschen, die Türkei den Türken. Die Junge Freiheit würde aber nie schreiben: Raus mit Ausländern, notfalls mit Gewalt.

Relativiert die Junge Freiheit den Nationalsozialismus?

Sie vertritt die üblichen geschichtsrevisionistischen Positionen, im Nationalsozialismus sei nicht alles schlecht gewesen und die Deutschen sollten endlich mit ihrer Vergangenheitsbewältigung aufhören.

Verharmlost sie auch den Holocaust?

Die Junge Freiheit würde nie den Holocaust leugnen. Aber im gleichen Atemzug mit der Judenvernichtung werden beispielsweise die Amerikaner und der Vietnamkrieg genannt. Durch diese Hinweise auf die Schuld anderer sollen die deutschen Verbrechen wohl relativiert werden.

Was bedeutet es, wenn ein einstiger Redakteur der Jungen Freiheit Schulminister wird?

Herr Krause sollte sich deutlich vom Gedankengut der Jungen Freiheit distanzieren, wenn er Kultusminister werden will. Sonst kann er nicht glaubhaft machen, dass er das Grundgesetz schützen will, auf das er immerhin einen Eid schwören muss.

INTERVIEW: WOLF SCHMIDT

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