Polizisten-Prozess: Die Bärte sind ganz sicher falsch

Bei der Erstürmung einer Wohnung wurde ein Unschuldiger verletzt. Vier Polizisten stehen nun vor Gericht. Die maskierten Angeklagten behaupten, das Opfer habe sich an ihrem Schutzschild gestoßen.

Bild: DPA

Die Nacht vom 29. auf den 30. April 2005 verlief für den damals 17-jährigen Erdal R. nicht gut. Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei schlug die Tür zur Wohnung seiner Eltern in Lankwitz mit einer Ramme ein und stürmte danach in alle Zimmer. Auch in jenes, wo der Teenager bereits schlief. Was in den nächsten Minuten genau passierte, dies soll nun in einem Prozess am Landgericht Berlin geklärt werden, der am Freitag begann. Denn als das Licht in jener Nacht endlich anging, sah der junge Mann zugerichtet aus: Schürfwunden, Blutergüsse, ein herausgebrochener Zahn, aufgeplatze Lippen. Das Bett war blutverschmiert.

Angeklagt sind die vier SEK-Beamten, die in Erdals kleines Zimmer drangen. Den 35- bis 42-jährigen Männern wird Körperverletzung im Amt vorgeworfen. Sie hatten den Befehl, Erdal R. zu verhaften. Man hatte den jungen Mann fälschlicherweise, wie sich ein paar Stunde nach dem Einsatz bei einer Gegenüberstellung herausstellte, für den Täter eines bewaffneten Überfalls auf eine Penny-Filiale gehalten.

Für den Prozess gelten erhöhte Sicherheitsvorkehrungen. So durften die angeklagten SEK-Beamten sich auch mit angeklebten Schnurrbärten und Perücken maskieren. Begründet wird die Verkleidung von der Verteidigung mit der "persönlichen Gefährdungslage" der Angeklagten.

Jeder der vier SEK-Beamten hat seinen eigenen Rechtsbeistand. Diese verlasen Erklärungen ihrer Mandanten, die alle denselben Tathergang schildern. Diesem zufolge zog sich Erdal R. die Verletzungen zu, weil er im Dunkeln gegen das etwa 15 Kilogramm schwere Schutzschild des ersten Beamten der Sturmtruppe stieß. Außerdem hätten sie bei der vermuteten Gefährdungslage schnell handeln müssen, um den Jungen zu fesseln. Herr G., einer der vier angeklagten Elite-Polizisten, bekundet in seiner Erklärung immerhin Bedauern für die körperlichen und seelischen Verletzungen, die so ein Einsatz nach sich ziehen könne.

Erdal R. trägt, so schildert er bei der Zeugenaussage, in der Tat solche Verletzungen davon. Er sei mitnichten gegen ein Schild gerannt, sondern von den Beamten im Bett liegend geschlagen, getreten, am Atmen gehindert, beschimpft und überwältigt worden. Zudem sei das Schild gegen ihn gestoßen worden. Eine Verletzung am Schlüsselbein und ein Loch in der Wand des Zimmers seien die Folgen. Da er an Platzangst leide, habe er Todesangst bekommen und sei ohnmächtig geworden und erst auf dem Fußboden liegend wieder zu sich gekommen. Geistesgegenwärtig hatte die Mutter während des tumultartigen Einsatzes Fotos gemacht, die nun dem Gericht vorliegen. Der junge Mann, der da im Schlafanzug auf dem Teppich neben dem blutverschmierten Bett liegt, sieht in der Tat mitgenommen aus.

"Der Vorfall hat mein Leben verändert", sagt Erdal R.. Bis heute könne er kaum einschlafen, müsse alles verriegelt wissen nachts, und wache, wenn er schläft, bei jedem Geräusch auf. Die Schule habe er wegen der Konzentrationsstörungen abbrechen müssen, heute lebe er von Arbeitslosengeld II. Er überlegt sich jetzt, den Hauptschulabschluss an der Abendschule nachzumachen, weil er ohnehin nicht schlafen könne.

Die vier Verteidiger, dies kündigt sich bereits am ersten Verhandlungstag an, werden die Glaubwürdigkeit der Wahrnehmung von Erdal R. in Frage stellen. Das Verletzungsbild könne durchaus in Übereinstimmung stehen mit der rechtmäßigen Vorgehensweise, die das SEK wählen müsse bei einem solchen Einsatz, meinte einer der Verteidiger. Erdal R. nehme diese nur potenziert wahr, was auch verständlich sei.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.