StudiVZ-Daten in der "Bild"-Zeitung: Jäger und Sammler

Das Online-Portal StudiVZ und die "Bild"-Zeitung sind wie für einander gemacht: einer sammelt Daten, der andere strickt Storys daraus. Gut für die Konzerne - dumm für den User.

Ein Glücksfall für "Bild": Dank StudiVZ sind privateste Daten und Fotos nur ein paar Mausklicks entfernt. Bild: ap

Eigentlich zählt die Bild-Zeitung zu den verlässlichsten Skandalproduzenten der deutschen Öffentlichkeit. Doch erst in Kombination mit der plauderfreudigen Sozialen-Netzwerkseite StudiVZ dringt das Boulevard-Blatt in das privateste Private der Republik vor - und das ohne großen Aufwand betreiben zu müssen. Denn für ihre Berichterstattung bedient die Bild-Zeitung sich immer öfter privater Daten und Bilder aus dem Online-Netzwerk. StudiVZ bedauert das zwar - will sich aber nicht gegen den Datenklau zur Wehr setzen.

Private Fotos von Unfall- oder Gewaltopfern waren schon immer von besonderem Wert für die gelben Seiten des Boulevard-Branchenprimus Bild. Doch was früher noch zum aufwendigen Recherche-Alltag gewissensloser Reporter gehörte, funktioniert heute per Mausklick. Weil Millionen von Menschen ihre privatesten Details im Internet ausbreiten, hat die Bild-Zeitung ihre zuverlässigsten Informanten entdeckt: die Opfer selbst. Die größte Datenbank potentieller Opfer ist kostenlos zugänglich, sie heißt StudiVZ - und wer will, findet in ihr intimste Informationen über wildfremde Menschen. Mit knapp fünf Millionen registrierten Mitgliedern verfügt das Online-Netzwerk über eine der begehrtesten Datenbanken Deutschlands. Das Schönste daran: Die Nutzer stellen ihre privaten Vorlieben auch noch freiwillig ins Netz.

Eine Tatsache, die sich die Bild-Zeitung schamlos zu Nutze macht. Als Anfang März in Hamburg beinahe eine Lufthansa-Maschine abgestürzt wäre, "enthüllte" Bild "das traurige Geheimnis der schönen Pilotin" auf ihrer Titelseite - ein Blick ins StudiVZ reichte, um herauszufinden, was die Hobbies und Vorlieben, was die Ängste von "Maxi J. (24)" waren. Die passende Bebilderung? Lieferte ein einfacher Klick auf das private Fotoalbum, das die Pilotin auf der Online-Plattform veröffentlicht hatte. In anderen Fällen ging die Berichterstattung weit darüber hinaus. Als im Januar etwa eine junge Frau bei einem Ski-Unfall ums Leben kam, druckte die Bild am Sonntag nicht nur ein dort gepostetes Foto der Frau ab - sondern zählte auch ihre Kontakte bei StudiVZ, um sie als "sehr beliebt" zu charakterisieren und nannte ihre liebsten Schulfächer.

Keine Einzelfälle, meint Christoph Schultheis. Er ist Mitbetreiber des Bild-kritischen bildblog.de, das die beiden oben genannten Fälle dokumentierte "Das Stöbern nach Privatdaten im StudiVZ gehört mittlerweile offenbar zum Handwerkszeug jedes Bild-Redakteurs", meint Schultheis. Er beobachtet derzeit "eine Zunahme des Datenklaus aus dem StudiVZ."

Den Machern von StudiVZ ist die Recherchepraxis des Boulevardblatts zwar bekannt, und offiziell sprechen sie sich auch gegen den von Bild praktizierten Bilder- und Infoklau aus. Aktiv dagegen vorgegangen ist das soziale Netzwerk aber noch nicht - weder indem es sich mit Bild an einen Tisch gesetzt hat, um den Missbrauch zu unterbinden, noch indem rechtliche Schritte eingeleitet wurden. Statt dessen überlässt das Unternehmen es seinen Nutzern, gegen den Bild-Klau zu protestieren. Gegenüber der taz hieß es aus der Pressestelle von StudiVZ: "Die journalistische Verwertung von Bildern aus StudiVZ ist nicht in unserem Interesse. Das steht auch eindeutig in unseren AGB. Wird dennoch ein Foto von einem unserer Nutzer zu diesem Zweck unautorisiert verwendet, so handelt es sich hierbei um eine Verletzung der Urheberrechte. Der Nutzer kann gegen das entsprechende Medium vorgehen."

Übersetzt: Solange der Holtzbrinck-Gruppe, der das Portal gehört, kein Schaden entsteht, können sich die KollegInnen des Axel-Springer-Verlags weiter bedienen. Wer als Nutzer von dem Datenklau betroffen ist, muss also selbst dagegen vorgehen.

Dieser wenig zimperliche Umgang mit Nutzerdaten könnte daher rühren, dass die Holtzbrinck-Gruppe damit selbst ein gutes Geschäft macht. Denn die kennt sich mit der Datenvermarktung bestens aus: Sie hatte das Portal im vergangenen Jahr für geschätzte 100 Millionen Euro gekauft - und war umgehend in die Vermarktung der Userdaten eingestiegen. Erst Ende 2007 gab es mal wieder Krach, weil das Portal seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen geändert hatte: Wer der Vermarktung seiner Daten - und etwa dem Erhalt personalisierter Werbung - nicht zustimmte, hätte anfangs gar das Portal verlassen sollen. Erst auf massiven öffentlichen Druck wurde die Praxis dann abgemildert.

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