Der rapide Absturz von Michael Graeter: Von der Promiparty in den Knast

Klatschreporter Michael Graeter war das Vorbild für die Fernsehfigur Baby Schimmerlos in Helmut Dietls Serie "Kir Royal" - nun sitzt er im Gefängnis

Da ging es Michael Graeter noch gut: Januar 1998, der Klatschkolumnist präsentiert sein mit original Flugzeugsitzen ausgestattetes Kino "Aeroport FJS" in München-Schwabing. Bild: dpa

MÜNCHEN taz Was ist Wahrheit, was Fiktion im Leben des Promikolumnisten Michael Graeter? Langsam könnten Freunde von Klatsch und Tratsch durcheinanderkommen. Denn beinahe perfekt lebt Deutschlands ehemals bekanntester Promi-Journalist Graeter in diesen Tagen nach, was vor zwei Jahrzehnten über ihn gedreht worden ist. Für Helmut Dietls Sechsteiler "Kir Royal" war Graeter einst das Vorbild. Der Protagonist, MATZ-Journalist "Baby Schimmerlos" (Franz Xaver Kroetz), war ein Ebenbild des realen AZ-Journalisten.

Mit dabei in der hochkarätig besetzten Fernseh-Scheinwelt waren Konstantin Wecker als Klavierspieler und Mario Adorf als Klebstoff-Millionär. Senta Berger spielte das Gspusi vom Baby, Dieter Hildebrandt den Paparazzi-Fotografen und einzigen Freund des Klatschkolumnisten. In der letzten Folge treibt es Baby Schimmerlos aber zu weit. Ein paar hunderttausend Mark für eine letzte Topstory gibt es, aber Job, Freundin und Stolz sind weg. 20 Jahre später ist auch Michael Graeter tief gefallen. Bei der AZ ist er längst nicht mehr, derzeit sitzt er in der JVA Landsberg ein.

Doch der Reihe nach: Michael Graeter war der Kristallisationspunkt des Münchner Promilebens in den 70er- und 80er-Jahren, in einer Zeit, als Schampus und Bussi-Bussi irgendwie Substanz hatten. Er schrieb in der AZ Kolumnen über koksende und schnackselnde Promis. Graeter lebte von diesen oberen Zehntausend, berichtete als Erster über die Liaison seines Freundes Gunter Sachs mit Brigitte Bardot. Er wohnte bei Roman Polanski in Gstaad, machte mit Jack Nicholson München unsicher. Er war dabei, irgendwie. Später ging er zu Bild, dann zur Bunten.

Doch immer öfter schien Graeter zu vergessen, dass er Reporter war und nicht eigentlicher Bestandteil des Promisystems. Er ließ sich nicht mehr redigieren, 1998 hatte die Bunte genug und strich Graeter während eines Urlaubs aus dem Impressum. Es war vorbei mit dem Promileben.

2002 dann der nächste Schlag. Das Amtsgericht München verurteilte den Promijournalisten wegen Insolvenzverschleppung, Bankrott und Veruntreuung von Arbeitsentgelt. Ihm wars egal. Seine Schulden beglich er nicht, stattdessen ließ er sich 2006 vom Schweizer Privatsender Star TV anstellen. Frohgemut vermeldete der Sender, man könne "in hohem Maße" von Graeters Erfahrung profitieren. Doch Graeter hatte zu hoch gepokert, die genervte deutsche Justiz ließ ihn in der Schweiz verhaften, im Januar wurde Graeter nach Deutschland überstellt. Seitdem will man ihn in Zürich nicht mehr kennen. "Wir möchten dazu nichts sagen und uns davon distanzieren, das ist uns lieber so", heißt es auf Anfrage. Und die Branche schimpft. "Die Tragödie eines lächerlichen Mannes", befand Vanity Fair, und Bild-Kollege Norbert Körzdörfer spricht von Graeter nur noch in der Vergangenheit ("Ich mochte ihn").

Vielleicht aber haben die anderen Bewohner der Scheinwelt Graeter vorschnell abgeschrieben. Denn zumindest die Geschichte von Baby Schimmerlos geht von vorne los. Helmut Dietl und Benjamin von Stuckrad-Barre arbeiten an einer Neufassung von "Kir Royal" - in Berlin. Graeter wird das gefallen. "Moneymaker, Modemacher, Maler und Musiker" seien in der Hauptstadt, sagte er einmal.

Und noch eins könnte Graeter Hoffnung machen auf einen Neuanfang. Anders als Baby Schimmerlos hat er noch Freunde. Günter Netzer hat ihn im Gefängnis besucht, und Gunter Sachs zahlt den Anwalt. Die Begründung: "Manchmal gehts im Leben wie im Märchen, gute Taten zahlen sich aus." Klingt nach einem Comeback.

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